"Dämonen und Wunder – Dheepan", Drama, Frankreich 2015, 110 Minuten, Regie: Jacques Audiard
Ungewöhnliche Aktualität
Sozialkrise und Flüchtlingsdrama: In "Dämonen und Wunder - Dheepan" geht Regisseur Jacques Audiard zwei hochbrisante Themen an. Vom Bürgerkrieg in Sri Lanka hinein in das Gemisch aus Armut, Drogen und Straßenkämpfe der Vororte von Paris: ein hoch interessanter Film!
Dheepan ist ein Tamilischer Krieger und auf dem Rückzug. Der Bürgerkrieg auf Sri Lanka nähert sich dem Ende und es sieht für die Rebellen nicht gut aus. Deshalb versucht zu fliehen, illegal, ins Ausland. Der einzige Weg dazu ist sich als Familienvater zu tarnen. Mit falschen Pässen wird ihm plötzlich eine fremde Frau und ein fremdes Mädchen an die Seite gestellt.
Gangs und Kriminelle
Als falsche Familie reisen sie nach Frankreich, um dort Asyl zu beantragen. Dann beginnt ihr Leben in der neuen Heimat. Den Behörden müssen sie beweisen, dass sie wirklich eine "echte" Familie sind. In ihrer Banlieue müssen sie zeigen, dass sie sich schnell akklimatisieren können. Und das fällt ihnen schwer, denn sie finden sich schnell in bürgerkriegsähnlichen Zuständen wieder. Das ist nicht Frankreich, hier herrschen Gangs und Kriminelle.
In dieser feindlichen Umgebung sucht der französische Regisseur Jacques Audiard nach den Resten einer Empathie, die alle Figuren vor der feindlichen Umwelt und sich selbst retten können. Mit "Dämonen und Wunder" hat er ein Remake des Sam-Peckinpah-Klassikers "Wer Gewalt sät" gedreht und dafür dieses Jahr die Goldene Palme der Filmfestspiele in Cannes gewonnen. Doch diesem zweifellos gut gemachten und sehr effektiv inszenierten Film kommt gerade die Realität dazwischen. Im Mai waren diese Bilder noch kein Spiegel unserer Nachrichtenbilder.
Kino als Seismograph
Doch die vielen Flüchtlinge, die nach Europa drängen, die Pariser Anschläge, der populistische Hass gegenüber den Bedürftigen - all das findet hier plötzlich seine Entsprechung. Audiards Regieansatz, der lieber die Brachialmetapher der B-Movies favorisiert und weniger die Subtilität des Autorenfilms, wird so durchlässig für unsere Zeit und unsere Probleme. Wenn man das Kino als Seismograph begreift, als Kunstform, die Dinge spürt, bevor sie passieren, dann muss "Dämonen und Wunder" als großer Wurf begriffen werden.
Trotzdem sollte man hinweisen, das Audiard hier hin und wieder erzählökonomische Fehler unterlaufen. So liegt ihm vor allem an der Perspektive von Dheepan und seiner "falschen" Tochter. Die dritte im Bunde, die "falsche" Ehefrau, verliert sich im Geschehen. Dabei war ihre Figur von vornherein wesentlich präsenter angelegt. Dennoch ist dies sicherlich ein hoch interessanter Film, den die Zeit mit einer ungewöhnlichen Aktualität versehen hat.