"Deutschland. Dein Selbstporträt"
Deutschland, 2016
Regie: Sönke Wortmann
103 Minuten
Drei Filme mit utopischem Charakter
Was bringt die kommende Kinowoche? Sönke Wortmann zeichnet ein Porträt Deutschlands. In einem israelisch-deutschen Film versuchen Teenager, einen Vernichtungs-Krieg zu verhindern. Und in der Fortsetzung von "Independence Day" werden die Aliens angegriffen.
"Das ist mein Bruder. Für mich bedeutet Glück, ihn zu haben, beziehungsweise dass wir zusammenhalten, egal, was passiert."
Die junge Frau filmt sich mit ihrem Bruder Alexander. Der Junge mit Down-Syndrom und seine Schwester sind ein tolles Team und zwei von über 2000 Mitwirkenden in Sönke Wortmanns neuem Film "Deutschland. Dein Selbstporträt". Menschen in ganz Deutschland waren dazu aufgefordert, sich an einem Sommertag im Jahr 2015 selbst zu filmen und das Material einzuschicken. Von über 10.000 Einsendungen wurden Filme ausgewählt, aus denen Wortmann nun diesen Kinofilm collagiert hat. Zu erleben sind Menschen in ihrem Alltag, wie ein Gefängnis-Vollzugsbeamter im Rollstuhl:
"Ich bin Vollzugsbeamter mit Leib und Seele, ich liebe diesen Job, ich liebe diese Anstalt. Man darf das nicht falsch verstehen, ich liebe es nicht, Menschen wegzuschließen. Mir hat das Leben auch ein Bein gestellt, und ich sag immer, jeder kann sein eigenes Leben wieder in die Reihe bringen."
Man sieht Hobbyflieger, Menschen mit schweren Krankheiten und finanziellen Sorgen, Migranten, Pegida-Anhänger, Rapper und Blasmusikkapellen. Wortmann will einen breiten Querschnitt der Bevölkerung zeigen, hat schlüssig und mitunter lakonisch montiert – sympathisch, aber wenig mitreißend. Zu sehr ist "Deutschland. Dein Selbstporträt" bemüht, ein humanes und optimistisches Bild des Landes zu zeichnen, Randgruppen, Migranten, die unter Rassismus leiden, oder Subkulturen sind kaum zu erleben. Deutschland bleibt hier sehr mittig, ein fesselndes Porträt des Landes entsteht so nicht.
Ein alles andere als optimistisches Bild des Landes zeichnet die israelisch-deutsche Komödie "Atomic Falafel". Mimi und ihre Teenager-Tochter betreiben einen Falafel-Imbiss in der israelischen Wüste. Als eines Tages der Atom-Inspektor Oli aus Berlin vorbeischaut, verliebt sich Mimi sofort in den von Alexander Fehling gespielten blonden Deutschen. Oli soll im Auftrag der Internationalen Atomenergie-Kommission illegale Atomwaffen-Produktionen in Israel aufspüren. Bei seinen Kontroll-Besuchen in den angeblich rein zivil genutzten Anlagen versucht man, ihn plump zu täuschen:
"Was ist hinter der Tür? – Nichts, hinter der Tür ist nichts, ein Fehler des Architekten. – Türen führen immer irgendwohin. Hallo? - Mein Großvater ist ein Opfer des Holocaust, und 70 Jahre danach kommt ein Deutscher und wagt es wieder, mich einen Verschwörer zu nennen. – Sie behindern unsere Ermittlungen, Mr. Reim. – Schämen Sie sich!"
Die Militärs wollen Oli schnell wieder loswerden, deshalb wird Mimi, als sie eine Affäre mit ihm beginnt, unter Druck gesetzt. Währenddessen gelangen ihre Tochter und deren Hacker-Freund durch Zufall an geheime Informationen, mit denen sie einen geplanten israelischen Militärschlag gegen den Iran verhindern wollen. Der israelische Regisseur Dror Shaul zieht in "Atomic Falafal" gnadenlos über paranoide Politiker und kriegstreiberische Militärs her, inszeniert dabei hemmungslos albern im Stil einer Militärklamotte, aber mit ernstem Hintergrund - am Schluss droht der Vernichtungskrieg. Eine Komödie, hinter deren Albernheit Verzweiflung lauert.
"Atomic Falafel"
Israel, Neuseeland, Deutschland, 2016
Regie: Dror Shaul
92 Minuten
Von einem erneuten Vernichtungskrieg bedroht sieht sich die gesamte Menschheit im amerikanischen Film "Independence Day – Wiederkehr". Im wiederaufgebauten Washington feiert man den 20. Jahrestag des Sieges über die Aliens. Damals stand die Menschheit kurz vor ihrer Vernichtung, der gewonnene Krieg einte die Völker in nie dagewesener Weise. Die Fortsetzung von "Independence Day" aus dem Jahr 1996 wirft einen utopischen Blick auf die Welt – es gibt keinen Terrorismus und keine Kriege mehr. Stattdessen hat eine vereinte Menschheit mithilfe der Alien-Technologie ein Sicherheitssystem aufgebaut, denn man erwartet einen erneuten Angriff. Jetzt, 20 Jahre später, ist es soweit:
"Wir haben ihre Technologie benutzt, um unseren Planeten stärker zu machen. Aber das wird nicht reichen. - Oh mein Gott. Das ist definitiv viel größer als das letzte Mal."
Die neuen Raumschiffe der Aliens sind so riesig, dass sie den Mond beim Vorbeischrammen halb zertrümmern. Regisseur Roland Emmerich hat in der Fortsetzung eine noch gewaltigere Zerstörung aufgefahren als vor 20 Jahren. Da er den Weltuntergang in seinen Filmen allerdings schon lange geradezu obsessiv zelebriert, sieht das alles nicht mehr neu aus. Dafür ist Amerika moderner als 1996, es gibt eine Frau als Präsident, ein schwules Pärchen und eine Crew schneidiger, junger Helden, wie man sie aus dem Blockbuster-Kino à la "Tribute von Panem" kennt:
"Keine Sorge, das wird ein kontrollierter Sturzflug. – Man nennt das Fallen. – Nein, kontrollierter Sturzflug."
"Independence Day – Wiederkehr" orientiert sich erzählerisch am Original - auch Darsteller wie Jeff Goldblum sind wieder dabei - und ist dabei selbstironischer und weniger hurrapatriotisch – aber auch spannungsloser. Die Autoren haben viel reingepackt – ein bisschen "Star Wars", ein bisschen "Unheimliche Begegnung der 3. Art", viel Unterhaltsames – aber leider keine neuen Ideen.
"Independence Day – Wiederkehr"
USA, 2016
Regie: Roland Emmerich
121 Minuten