Ein Doktor für die Insel der Grantler

Die Komödie "Die große Versuchung" erzählt die Geschichte einer fast verlassenen Insel und ihren Bewohnern, die im Angebot eines Ölkonzerns ihre Chance auf Jobs und Wohlstand wittern. Doch dafür müssen Auflagen erfüllt werden. Denen stellen sich die Insulaner mit viel Witz und Kreativität.
Wir befinden uns abseits der Welt, in Teakle Head, einem Küstenort auf einer Insel vor Neufundland. "Es ist ein Hafen, kein Dorf", heißt es hier gegenüber Gestrandeten. Nachdem die Fischerei aus Mangel an Fischen vor längerer Zeit aufgegeben werden musste, leben die wenigen Einwohner, mal sind es 151, dann aber auch schon mal "mehr", vom monatlichen Sozialscheck. Ansonsten ist dort eigentlich alles trist – ein Leben zwischen Resignation und Alkohol. Wer die Chance dazu hat, haut ab aufs Festland.
Als ein Ölkonzern ankündigt, dass er unter bestimmten Bedingungen bereit wäre, eine Fabrik auf der Insel zu errichten und damit für Arbeit und Lohn zu sorgen, ist Ortsvorsteher Murray French (Brendan Gleeson) aufgescheucht. Der listige Grantler, der seine Ehefrau gerne wieder zu Hause und nicht in der fernen Stadt arbeiten wüsste, will unbedingt die Zusage vom Ölkonzern – doch die ist an drei Bedingungen geknüpft: A) Es muss ein Arzt hier her. Nicht für kurze Zeit, sondern für immer. B) Die Anzahl der Inselbewohner muss mindestens 220 umfassen. C) Für den Zuschlag erwartet der Boss des Ölmultis ein reichliches Schmiergeld, 100.000 Dollar.
Da trifft es sich, dass der ehemalige Bürgermeister von Teakle Head inzwischen auf dem Festland wohnt, bei der Flughafenpolizei arbeitet und gerade einen jungen und dynamischen Schönheitschirurgen (Taylor Kitsch) mit Koks im Gepäck erwischt hat. Es kommt zwischen beiden zu einer Absprache: Wenn der mondäne Dr. Paul Lewis vier Wochen "Sozialdienst" auf dem Eiland leiste, sei seine Straftat vergessen. Sobald der Arzt auf Teakle Island angekommen ist, machen sich die Inselbewohner drauf und dran, ihn langfristig an die kleine Insel zu binden. Sie klopfen ihn nach seinen Wünschen ab, damit er sich auch wohlfühlt. Sie geben vor, leidenschaftlich gerne Kricket zu spielen, weil das doch der Lieblingssport des feinen Arztes ist. Auf diese Art ergeben sich zahlreiche kuriose Situationen: ein missverstandenes Lieblingsessen und tiefgefrorene Fische an der Angelschnur des Doktors, die per Tauchgang dorthin manövriert werden. Dann wären da auch noch die liebreizenden Andeutungen in Richtung der schönen, alleinlebenden und vermeintlich offenherzigen Postmamsell – die allerdings nicht ahnt, was hinter ihrem Rücken in die Wege geleitet wird. Und neben dem guten Doktor wären da noch die Manager der Ölfirma, die vom neuen Standort überzeugt werden wollen.
Insgesamt wird die Geschichte ein bisschen zu glatt erzählt. Dafür ist sie aber knurrig launig und mit amüsant schrulligen Folk-Typen durchtränkt, die lakonisch wie trickreich ihr Ding durchziehen. Dabei verstehen sie oft nur Bahnhof, ans Aufgeben denkt aber keiner. Brendan Gleeson ("Brügge sehen...und sterben?", "The Guard – Ein Ire sieht schwarz") führt diese Figurenmischung aus Insel-Muppets und Schlaumeier-Prekariat pfiffig-lakonisch an. Doch manchmal wird die Grenze zum Gut-Menschen und zur Heile-Welt-Lösung leider überschritten. Der auch als Schauspieler ("Roadkill", "Existenz") und Drehbuch-Autor ("Die Stadt der Blinden") tätige Regisseur Don McKellar ("Die rote Violine", "Last Night", "Childstar") hat einen gefälligen und subversiven Unterhaltungsfilm geschaffen.
Kanada 2012, Regie: Don McKellar, Drehbuch: Michael Dowse, Ken Scott; K: Doug Koch; M: François-Pierre Lue, Maxime Barzel, Paul Étienne Coté, 113 Minuten