Neu im Kino

Einsamer Riese findet Freundin

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Aus dem Film "BFG - Big Friendly Giant" - der BFG und Sophie auf dem Weg ins Traumland © Constantin Film Verleih GmbH
Von Christian Berndt |
Steven Spielbergs "BFG - Big Friendly Giant" erzählt von der Freundschaft eines Waisenmädchens zu einem Riesen - eine echte Ausnahme im digital-animierten Blockbusterkino, findet Christian Berndt. Außerdem neu im Kino: "Censored Voices" und "Frühstück bei Monsieur Henri".

Reizvoll altmodische Erzählweise

"Die anderen sagen, die Geisterstunde ist um Mitternacht. Ich glaube, sie ist um drei Uhr nachts, wenn ich als einzige noch wach bin. Wie jetzt."
Die zehn Jahre alte Sophie glaubt die Geschichten, die man den Kindern hier im alten Londoner Waisenhaus erzählt: Von geheimnisvollen Unholden, die nachts ihr Unwesen auf den Straßen treiben. Deshalb schaut sie jede Nacht aus dem Fenster – und dann, eines nachts, erblickt sie eine riesige Hand hinter den Mauern. Auch der Riese hat Sophie gesehen, greift nach dem Mädchen und stürmt mit ihr über Felder und Meere in ein fernes Land:
"Wo bin ich? – Im Land der Riesen."
Steven Spielbergs neuer Film "BFG – Big Friendly Giant", die Verfilmung des gleichnamigen Kinderbuches von Roald Dahl, erzählt eine spielbergtypische Geschichte von Einsamen, die eine Familie suchen und finden. BFG, wie Sophie ihren Entführer nennt, ist ein freundlicher Riese und anders als seine bösen Brüder frisst er keine Menschen. Der Außenseiter-Riese und das einsame Waisenkind entdecken Gemeinsamkeiten, und die kleine Sophie gibt ihrem großen Freund Rückhalt:
"Du darfst Dich von denen nicht so behandeln lassen. Wir müssen sie aufhalten. BFG, ich habe einen Plan!"
Sophie schlägt vor, die Queen um Hilfe zu bitten, und die beiden machen sich auf zum Buckingham Palace. Spielberg inszeniert die Geschichte fantasievoll als Hybrid aus Real- und Digitalszenen. Allerdings kann das Filmmärchen nicht den selbstgestellten Anspruch eines neuen "E.T." erfüllen – zu wenig emotionale Kraft hat die Geschichte in ihrer etwas harmlosen Mischung aus Grusel und Komik, in der vom Schmerz der Einsamkeit ihrer Helden wenig zu spüren ist – anders als sonst bei Spielberg. Schade, denn in seiner ruhigen, reizvoll altmodischen Erzählweise und den liebevollen Bildentwürfen ist der Ton von "BFG" eine echte Ausnahmeerscheinung im digital-animierten Blockbusterkino.

Spannendes Dokument über das Wesen des Krieges

An emotionaler Wucht fehlt es dem israelisch-deutschen Dokumentarfilm "Censored Voices" nicht. Kurz nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 nahm der Schriftsteller Amos Oz mit seinem Tonband Soldaten auf, die, wie der Schriftsteller selbst, gerade aus dem Krieg zurückgekehrt waren. Nach dem Sieg Israels war die Stimmung im Land euphorisch. Doch die Erinnerungsberichte der Soldaten über Leid und Kriegsverbrechen wollte damals keiner hören. Deshalb waren diese Aufnahmen fast 50 Jahre unter Verschluss.
Für ihren Dokumentarfilm "Censored Voices" hat die israelische Regisseurin Mor Loushy die Interviews mit Archivaufnahmen unterlegt. Die jungen Soldaten sprechen über ihre zwiespältigen Gefühle: Den Stolz, als Jude endlich kein mehr Opfer zu sein, und die Scham, sich angesichts der Vertreibungen der Araber an den Holocaust erinnert zu fühlen, wie ein Soldat sagt. Bemerkenswert ist, wie hellsichtig sich die Soldaten schon damals darum sorgen, was es mit der israelischen Gesellschaft machen könnte, wenn sie zur Besatzungsmacht mutiert, und welche Hypothek dieser Sieg möglicherweise bedeutet. Das macht "Cesonered Voices" zu einem zeitlos-spannenden Dokument über das Wesen des Krieges.

Charmantes Verwirrspiel

Um den Konflikt der Generationen geht es in der französischen Komödie "Frühstück bei Monsieur Henri". Henri ist ein mürrischer, alter Witwer, und weil er langsam hinfällig wird, nötigt ihn sein Sohn, sich einen Mitbewohner für die Pariser Altbauwohnung zu suchen. Henri wimmelt die Bewerber ab, nur die Studentin Constance lässt nicht locker. Schließlich bekommt sie das Zimmer, wird aber gleich mit kleinlichen Regeln malträtiert:
"Hier haben Sie die Hausordnung."
"Das sind 20 Seiten!"
"Das ist eine Zusammenfassung."
"Sind Sie zufällig pensionierter Soldat?"
"Nein, das bin ich nicht. Ich war früher Steuerberater."
"Ach, das ist lustig."
"Nicht unbedingt."
"Doch, ich find es lustig, weil ich immer in den roten Zahlen bin."
"Sehr vielversprechend, was die Miete angeht."
Weil Constance wie zu erwarten kein Geld für die nächste Miete hat, will Henri sie gleich wieder rausschmeißen, hat dann aber eine Idee. Constance soll Henris Sohn den Kopf verdrehen, damit der von seiner furchtbaren Freundin loskommt:
"Ich kann doch kein Paar auseinanderbringen."
"Sie wohnen drei Monate umsonst."
"Ich mach es für sechs Monate."
"Sie sind aber verdammt käuflich."
"Ich bin vor allem pleite."
Die Handlung klingt zunächst etwas künstlich überkonstruiert, funktioniert aber doch verblüffend glaubwürdig. Der französische Regisseur Ivan Calbérac inszeniert "Frühstück bei Monsieur Henri" mit so viel Dialogwitz und wunderbaren Darstellern, dass man dem Charme dieses vitalen Verwirrspiels kaum widerstehen kann. Statt die übliche Geschichte vom Zusammentreffen des alten Misanthropen und des unbedarften Mädchens wiederzukäuen, zeigt Calbérac ein erfrischend romantisches, mitunter trauriges Paris-Abenteuer, das bezaubernd von verlorenen Hoffnungen und unverhofftem Glück erzählt.
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