"Es war einmal in Deutschland"
D/Luxemburg/Belgien 2016
Regie: Sam Garbarski
Mit: Moritz Bleibtreu, Antje Traue, Tim Seyfi u.a.
Länge: 120 Min.
Tragikomische Schelmerei
Deutschland 1946: David Bermann und ein paar Freunde haben den Holocaust überlebt und wollen jetzt unbedingt nach Amerika ausreisen. Um das Geld aufzutreiben, werden sie zu "Teilachern", verkaufen feinste Wäsche aller Art, verpackt in unglaubliche Geschichten. Doch Davids Geschichten wecken das Interesse der Amerikaner.
Worum es geht:
"Denkt immer dran, Hitler ist tot, aber wir leben noch": David Bermann (Moritz Bleibtreu) und seine jüdischen Freunde sind als Überlebende im Deutschland von 1946 angekommen und stehen vor der Frage: Wie jetzt weiter? Wie und wo weiterleben? Hier in Frankfurt am Main bleiben?
Für viele ist die Ausreise nach Amerika der neue, allerdings auch teure Lebenstraum. Bevor er verwirklicht werden kann, muss "Überlebensgeld gemacht" werden. David hat eine brillante Idee: In diesen "sauberen" Tagen wird "feinste Wäsche aller Art" begehrt. Hübsch wie erfreulich verpackt in unglaubliche Geschichten, ziehen sechs begnadete jüdische "Entertainer" los, um ihre "kostbare Wäsche" an die Frauen zu bringen. Mit vielen Bonmots und großem Erfolg.
Zugleich wird David immer wieder von den Amerikanern zum Verhör vorgeladen. Wieso ging es ihm im Dritten Reich so viel besser als anderen? Wieso besaß er einen doppelten Pass? Und was hat es damit auf sich, dass er, als Jude, höchstpersönlich Hitler einen Besuch auf dem Obersalzberg abstatten durfte, um ihm "Witze-Erzählen" beizubringen? Hat er oder hat er nicht mit den Nazis kollaboriert? US-Offizierin Sara Simon (Antje Traue) lässt nicht locker.
Was diesen Film besonders macht:
"Das ist eine wahre Geschichte. Und was nicht ganz wahr ist, stimmt trotzdem," heißt es eingangs. Basierend auf den beiden autobiografischen Romanen "Die Teilacher" (2010) und "Machloikes" (2011) von Michel Bergmann schuf der in Bayern geborene Belgier Sam Garbarski eine tragikomische Schelmerei, mit sehr viel atmosphärischer Detailtreue.
Angelegt als Kaleidoskop deutscher Nachkriegsstimmungen, wo Opfer des Nazi-Regimes, voller individueller grausamer Narben, frei durch das "neue Land" taumeln, und mit jüdischem, selbstironischem, verzweifeltem Humor und mit tüchtiger Chuzpe erst einmal das tägliche Weiterleben zu arrangieren versuchen.
In einem Land, das sich offiziell zwar von "Nazis" verabschiedet hat, wo aber eklige braune Gedanken weiterhin an der allgemeinen Tagesordnung sind.
Die Bewertung:
Regisseur Sam Garbarski, Jahrgang 1948, erzählt berührend und unterhaltsam, fernab jeder Klage-Schrift, mit leisem Schwung und feinem Gespür, mit Zeitkolorit und Stimmungen aus den Anfängen dieser Republik.
Dabei beweist der Filmemacher, der 2007 für "Irina Palm" bei der Berlinale viel Lob bekam, Sinn für den gesellschaftlichen Schwebezustand damals, in dem traumatisierte Menschen zaghaft und selbstbewusst ihr neues Leben gestalteten.
Moritz Bleibtreu ist als verführerischer, lebensgieriger David sowohl ein arroganter Macher als auch ein unglaublich listiger Erzähler mit viel Charme. Das Spiel des 45-Jährigen ist überragend. Lange war Bleibtreu nicht mehr so charismatisch und präsent. Diese feine Tragikomödie schultert er mit Bravour.
Ernst Lubitsch hätte an "Es war einmal in Deutschland" seine helle Freude gehabt.