Paolo Sorrentino: Ewige Jugend
Italien 2015
119 Minuten
Wenn am Ende nur Glückskeks-Weisheiten bleiben

Oscar-Gewinner Paolo Sorrentino lässt alte Männer auf schöne Frauen starren. Der britische Dokumentarfilmer Ben Hopkins treibt sich in Istanbul herum. Und Hollywood-Schauspieler Joel Edgerton probiert sich zum ersten Mal als Regisseur aus.
Manchmal will man einfach nur die Arme in die Luft werfen, weil da einer ist, der einen auffängt - singen Florence and the Maschine in "You got the Love". Genau dieser Song ist der nicht gerade subtile Rhythmusgeber für Paolo Sorrentinos nicht gerade subtilen Spielfilm "Ewige Jugend". All die betagten Künstler, die in einem anonymen Schweizer Luxushotel ihre letzten Tage erleben, sehen sich nur nach der Liebe. Auch der britische Komponist Fred Ballinger:
"Maestro? Komponieren sie noch?"
"Nein, ich bin im Ruhestand!"
"Nein, ich bin im Ruhestand!"
Michael Caine spielt diesen Ballinger, der hier großes leistet, weil er seinen alten, faltigen Körper zeigt, ohne Scham und ohne Ängste. Mit ihm bewegen wir uns durch dieses Hotel voller gestriger Greise und ausrangierter Promis. Da wäre das Supermodell, das an ihrer Schönheit zerbricht, ein drogenabhängiger Rockmusiker und auch Diego Armando Maradonna, ja, der Echte!
Sie merken, dass sie einsam sind
Sie alle versuchen in der Abgeschiedenheit zu begreifen, wie sie damit umgehen sollen, dass ihr Stern am Promihimmel längst untergegangen ist; Und sie merken, dass sie einsam sind. Etwas woran Fred Ballinger selber schuld ist, wie er von seiner Tochter zu hören bekommt:
"Mommy hat uns immer nur gesagt: Ruhe, Daddy komponiert! Ruhe, Daddy bekommt heute Abend Besuch von Stravinsky. Wer warst du?"
Paolo Sorrentino hätte mit "Ewige Jugend" ein kluges Porträt über die Vergänglichkeit von Ruhm drehen können. Stattdessen begnügt er sich damit elegante aber leere Bilder zu orchestrieren. Am Ende ist ein Film entstanden, der uns lediglich mit seinen Oberflächenreizen beeindrucken will; Von unseren Ängsten vorm Altern, vom Verlust der Gefühle, weiß er nichts. Was bleibt sind banale Glückskeks-Weisheiten:
"Siehst du den Berg dort drüben? Alles erscheint so nah. Das ist die Zukunft. Und jetzt? Jetzt erscheint alles so weit weg. Das ist die Vergangenheit."
"Lange bevor es unsere Zivilisation gab, da gab es die Zivilisation der Katzen und ihre Hauptstadt war Istanbul."
Ganz anders verhält es sich mit dem Dokuessay "Hasret - Sehnsucht" des britischen Dokumentarfilmers Ben Hopkins. Er weiß viel von der Welt und den Geistern, die uns umgeben. In "Hasret" nimmt er uns mit in seine Lieblingsstadt: Nach Istanbul und nutzt seine eigenen Erfahrungen vor Ort als Ausgangspunkt für eine Reise in die Seele der Bosporusmetropole.
Ausgehend von einem Regisseur, der Material über Istanbul in einem Schneideraum montiert, entspinnt sich ein stiller Bilderstrom, der permanent hinterfragt, wofür Istanbul eigentlich steht? Hopinks erzählt uns die Legenden der Stadt, die wahren und die erfundenen.
Beides behandelt er gleichberechtigt; er mischt Nachrichtenbilder der Gezi-Proteste mit Aufnahmen der vielen Straßenkatzen und erinnert mit dieser Methode des freien Assoziierens an die Romane des Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk, der mit seinem "Museum der Unschuld" ebenfalls eine emotionale Landkarte dieser Weltstadt erschaffen hat.
Das Kino braucht solche Filme. Wir brauchen solche Filme. Filme, die uns angehen, weil sie unsere Welt betreffen. "Hasret - Sehnsucht" ist dahingehend ein kleines Juwel.
"Aus den 50er Jahren. Fantastischer Blick."
"Ist das nicht toll?"
"Gefällt's dir?"
"Ja, und dir?"
"Ist das nicht toll?"
"Gefällt's dir?"
"Ja, und dir?"
Ben Hopkins: "Hasret - Sehnsucht"
Türkei 2015
82 Minuten
Ob wir einen Film wie "The Gift" brauchen, sei mal dahingestellt. Aber immerhin steht dieser Psychothriller für etwas. Und zwar für den Trend, dass immer mehr Schauspieler hinter die Kamera wechseln. Nun hat es also Joel Edgerton gewagt.
Mit "The Gift" hat er einen klassischen Psychothriller gedreht, der damit beginnt, dass ein Ehepaar eine neue Wohnung in einem Vorort von Los Angeles bezieht; und Simon, der Ehemann, einen alten Schulfreund trifft.
"Heißen Sie Simon?"
"Ja, heiße ich."
"Wir waren beide in der Schule."
"Ja, heiße ich."
"Wir waren beide in der Schule."
Ein gekonnt inszenierter Genrefilm
Gordo war bei der Armee, jetzt ist er arbeitslos und sehr freundlich. Zu freundlich ...
"Willkommen daheim. Mit Smiley! Gordo"
"Woher hat er eigentlich unsere Adresse?"
"Woher hat er eigentlich unsere Adresse?"
Und dann beginnt ein recht gekonnt inszenierter Genrefilm, der Gordos verhalten von freundlich, über aufdringlich bis ins psychopathische zeichnet. Dabei ist das Ehepaar selbst nicht ganz so unschuldig an seinem Verhalten wie man vermuten könnte.
Schade nur, dass Edgerton am Ende seinen Film mit einer Auflösung konfrontiert, die das subtil ausgearbeitete Psychogramm einer instabilen Ehe für eine krachend dämliche Wendung einfach über Bord wirft. Am Ende also noch so eine Glückskekswahrheit: Weniger ist manchmal dann doch mehr.
Joel Edgerton: "The Gift"
USA 2015
108 Minuten
USA 2015
108 Minuten