Neu im Kino

Helden zwischen Brüssel und Las Vegas

Sicht über Las Vegas, Nevada, USA
Sicht über Las Vegas, Nevada, USA © Imago / Westend61
Von Christian Berndt |
In "Vorgespult" geht es heute um drei Filme, in denen desillusionierte Helden plötzlich vor dramatischen Entscheidungen stehen: der belgische Film "Brasserie Romantiek", "Wild Card" von Simon West und "Sehnsucht nach Paris".
In der Küche der Brasserie Romantiek ist Hochbetrieb - es ist Valentinstag. Geführt wird das Gourmet-Restaurant mit professioneller Noblesse von Pascaline, die den Familienbetrieb mit ihrem Bruder von den Eltern übernommen hat. Die kühle Chefin erlaubt sich keine Schwachheiten – bis zu jenem Valentins-Abend, an dem ein früherer Bekannter auftaucht:
"Hey, Pascaline. – Hallo Frank. – Ich hab hier reserviert. – Zwei Personen? – Ich bin allein, ich wollte Dich überraschen, natürlich nur, wenn Du mich reinlässt."
Für Pascaline ein Schock: Frank war einst ihre große Liebe. Sie hat ihn 20 Jahre nicht gesehen, jetzt fragt er plötzlich, ob sie mit ihm nach Südamerika gehen will. Die belgische Tragikomödie "Brasserie Romantiek" erzählt davon, wie geordnete Lebensentwürfe von einer Sekunde zur anderen aus den Fugen geraten. Während Pascaline in Verwirrung stürzt, beginnen sich an den Tischen aberwitzige Dramen abzuspielen. Joël Vanhoebrouck inszeniert sein Kinodebüt als turbulentes Kammerspiel mit einem Restaurant als gesellschaftlichem Mikrokosmos. Dass die Geschichte trotz ziemlich gewollter Konstruktion die Balance zwischen Komik und Tragik einigermaßen hält, liegt daran, dass Vanhoebrouck seine wehmütigen Figuren - allen voran die von Sara de Roo mit stiller Grandezza gespielte Pascaline – ernst nimmt.
"Brasserie Romantiek"
Belgien 2015, Regie: Joël Vanhoebrouck, Buch: Jean-Claude van Rijckeghem, Pat van Beirs, Darsteller: Sara De Roo, Axel Daeseleire, Koen De Bouw, Barbara Sarafian, Filip Peeters, Mathijs Scheepers, 97 Minuten
Gangster werden verprügelt
Lokale sind neben Spielcasinos auch ein bevorzugter Aufenthaltsort von Nick, dem wortkargen Helden im amerikanischen Film "Wild Card". Der frühere Söldner – gespielt von Jason Statham - ist zu einer traurigen Gestalt geworden, die in Las Vegas als Bodygard ihre Existenz fristet und sich gegen Bares auch verprügeln lässt:
"Na, ich hätte nicht gedacht, dass Du noch kommst. Ist das nicht Dein Fünftausendster Morgen in der Wüste? – Mein Fünftausendster Scheißtag! – Wie geht's Dir denn so? – Ach, Du weißt schon. – Hier. – Verrückte Anfragen? – Ja, sieht so aus. – Keine Lust, Pinky."
Eines Tages tritt unerwartet Exfreundin Holly an Nick heran: Sie wurde von einem Gangsterboss brutal vergewaltigt und misshandelt. Nun fordert sie von Nick, Rache zu üben. Der hat überhaupt keine Lust dazu, macht es dann aber doch – und stattet der Bande einen Besuch ab:
"Schafft mir diesen dummen Wichser aus den Augen. Zeigt ihm doch, wie nett ich wirklich bin."
Für die Gangster setzt es Hiebe - in einer Bud-Spencer-reifen Slapstick-Prügelszene. Hollywoods Regisseur für solides Action-Kino Simon West inszeniert "Wild Card" – das Remake eines Burt-Reynolds-Thrillers aus den Achtzigerjahren – trotz solcher Kampfeinsätze insgesamt eher ruhig und mit angenehm gelassener Ironie. Und Stunt-Spezialist Jason Statham ist als Nick eine Art gefallener Spätwesternheld, der diesem kleinen, schmutzigen Las-Vegas-Western die passende Coolness gibt:
"Die Nummer 540, das ist Chocolat. Ein wunderschönes Tier, Chocolat."
Von der schillernden Wüstenmetropole Las Vegas in die tiefste Provinz.

"Wild Card"
USA 2015, Regie: Simon West, Darsteller: Jason Statham, Michael Angarano, Dominik García-Lorido, 93 Minuten

Sehnsucht auf einer Rinderschau
Der französische Film "Sehnsucht nach Paris" beginnt mit einer Rinderschau, auf der Brigitte und Xavier für ihren Prachtbullen "Ben Hur" ausgezeichnet werden. In Brigittes Leben geht alles seinen provinziellen Gang - bis sie auf einer Party bei den neuen Nachbarn auftaucht, und ein junger Mann aus Paris mit der völlig überraschten Mittfünfzigerin zu flirten beginnt. Kurz danach ergreift sie die Gelegenheit und reist - unter dem Vorwand eines Arztbesuches - nach Paris. Zur Überraschung von Ehemann Xavier will sie nicht bei der Schwägerin übernachten.
"Ist das wahr mit dem Hotel? – Aber sicher, warum soll das nicht wahr sein? Ich hab sogar zwei Nächte gebucht. – Zwei Nächte? Klar, dass Du dort übernachten musst, weil Dein Termin so früh ist, aber wieso bleibst Du denn länger als nötig in Paris? – Na, weil mir danach ist. Ein bisschen shoppen gehen, in die Galerie Lafayette, wenn wir mal da sind, haben wir nie Zeit dafür."
Dass sie in Paris den jungen Mann aufsuchen will, erzählt Brigitte nicht. Marc Fitoussi erzählt in "Sehnsucht nach Paris" weniger von einer wirklichen Sehnsucht, als vielmehr einer instinktiv ergriffenen Gelegenheit. Brigitte ist keine moderne Madame Bovary, die vom aufregenden Leben in Paris träumt, sondern eine neugierige, aber bodenständige – von Huppert zauberhaft gespielte - Landfrau, die sich für einen Moment treiben lässt. Das sorgt für eine schwebende Offenheit, die dieses kleine Abenteuer so wahrhaftig aussehen lässt.
"Sehnsucht nach Paris"
Frankreich 2015, Regie: Marc Fitoussi, Drehbuch: Marc Fitoussi, Sylvie Dauvillier, Darsteller: Isabelle Huppert, Jean-Pierre Darroussin, Michael Nyqvist, Benoît Giros, Anaïs Demoustier, Marina Foïs, Audrey Dana, Pio Marmaï, Clement Metayer, Meryem Serbah, Jean-Charles Clichet