"Herbert"
Deutschland 2015
Regie: Thomas Stuber
Darsteller: Peter Kurth, Udo Kroschwald, Edin Hasanovic, Lina Wendel, Lena Lauzemis, Reiner Schöne
109 Minuten, ab 12 Jahren
Mit Muskelschwäche zu innerer Stärke
Der ehemalige Boxer Herbert jobbt als Türsteher in Discos und als Schuldeneintreiber. Der Mittfünfziger ist ein bulliger, wortkarger Typ. Doch als bei ihm die Muskelkrankheit ALS ausbricht, muss er sich öffnen.
Der seltene Fall ist eingetreten, dass uns in einem deutschen Film ein Männerporträt gezeichnet wird, das uns keinen an seiner Rolle zweifelnden, den Sinn des Lebens auch noch im Erwachsenenalter suchenden Mannes beschert.
Titelheld Herbert hat sein Leben ganz dem Boxen gewidmet. Er war erfolgreich in der DDR, hat später nie die große Profikarriere gemacht und ist in Leipzig in Szenekreisen doch eine Institution. Zum Überleben jobbt er als Türsteher in Diskos und Schuldeneintreiber. Er ist ein bulliger, wortkarger Typ.
Leidenschaft zeigt Herbert (Peter Kurth) nur beim Training des talentierten jungen Eddie (Edin Hasanovic), seine Freundin Marlene (Lina Wendel) hält er auf Distanz.
Drama im Halbdunkel
Das Leben könnte so zu Ende gehen, würde er nicht beim Duschen plötzlich zusammen brechen, würden seine Hände nicht immer wieder den Dienst versagen. Bei diesem Schrank von einem Manne wird ALS diagnostiziert, die Muskelkrankheit schreitet schnell voran.
Wie geht ein Mensch, der im Leben keine Bindungen eingegangen ist und kaum mit seiner Umwelt kommuniziert, mit diesem Todesurteil um? Das Drama entwickelt sich im Halbdunkel, in den Boxstudios, auf nächtlichen Straßen, in einer Wohnung, die man kaum als Heim bezeichnen kann.
Ein Mensch wie Herbert reflektiert nicht, er richtet nicht, er entschließt sich, seinen Frieden zu machen mit denen, deren Vertrauen er enttäuscht und deren Nöte er nicht geteilt hat. Das ist so gradlinig und richtig, dass es den Zuschauer sofort für den so gar nicht auf Identifikation angelegten Helden gefangen nimmt.
Überzeugendes Drehbuch
Peter Kurth ist grandios in seinem stummen Leiden, seinen lange vergeblichen Versuchen, die in Not und Verbitterung lebende Tochter Sandra (Lena Lauzemis) und sein Enkelkind vor seinem Tode noch kennen zu lernen und helfen zu dürfen.
An diesem chronologisch gedrehten Film, der seinem Hautdarsteller auch physisch viel abverlangte, beeindruckt aber nicht nur der Protagonist Peter Kurth, sondern das insgesamt sorgfältig ausgesuchte und vom Drehbuch mit stimmigem Hintergrund ausgestattete Ensemble.
Drehorte, Berufe, Lichtsetzung, Sprache und letztlich die genau gespielten Symptome der Krankheit überzeugen so sehr, dass man sich manchmal in einer Dokumentation wähnt, was hier durchaus als Kompliment gemeint ist.