"Ich und Kaminski" von Wolfgang Becker
Deutschland 2015; Mit: Daniel Brühl, Jordis Treibel, Jesper Christensen, Geraldine Chaplin; 145 Minuten
Ein Maler als Fälscher, ein Journalist als Vampir?
Der Journalist und Kunstkritiker Sebastian Zöllner schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Um endlich einen Coup zu landen, will er die Biografie eines Malers schreiben - und ihn als Fälscher entlarven. Ein Film voll ironischer Miniaturen von "Good Bye, Lenin"-Regisseur Wolfgang Becker mit seinem bewährten Star Daniel Brühl.
Diesen Vorspann könnte man wieder und wieder sehen. Kurz und knapp wie eine Wochenschau liefert er alle nötigen Informationen. Man trifft auf die Großen der Großen im Kunstbetrieb. Man sieht Matisse in seinem Atelier und einkopiert den fiktiven Maler Manuel Kaminski, der wie uns die nachrichtenhafte Off-Stimme mitteilt, auch ein guter Freund von Picasso gewesen sei. Schon sind wir in New York, nun erinnert Kaminski an Andy Warhol, in dessen Factory er natürlich auch gern gesehener Gast war. Und das Besondere an diesem Maler mit der dicken Brille ist, dass er seine Bilder mit "Painted by a blind man" unterzeichnet. Fake oder Wahrheit?
Und damit sind wir im Universum von Wolfgang Becker gelandet. In "Good - bye Lenin" ließ der von Daniel Brühl gespielte Sohn die DDR weiterleben, um die kranke Mutter vor einem Kulturschock zu bewahren. Nun will Daniel Brühl als eitler, selbsternannter Kunstkritiker namens Sebastian Zöllner eine Fiktion als solche überführen: Was wäre, wenn Kaminski gar nicht blind und seine Augenkrankheit nur ein Werbegag ist? Dann wäre Brühls Figur ein gemachter Mann, eine Legende in der Kunstkritik. Es ist Eile geboten, denn Kaminski ist schon in die Jahre gekommen. Er lebt einsam auf einem Anwesen in den Schweizer Bergen.
Ein Exzentriker im bordeauxfarbenen Hausmantel
Dieser Plot gibt die Themen vor: Wahrheit oder Fälschung, Kritik an der Kunstkritik, der Journalist als Vampir! Hemmungslos gibt Brühl den skrupellosen Reporter mit Dreitagebart, Schweißflecken unterm Arm und zynischen Sprüchen. Ganz der künstlerische Exzentriker trägt der Schauspieler Jesper Christiansen einen bordeauxfarbenen, eleganten Hausmantel, den er auch nicht ablegt, als er mit Zöllner eine Reise per Auto in seine Vergangenheit antritt. Auch wenn er einiges über sein Liebesleben preisgibt, die schwere Sonnenbrille wird er nie ablegen und sein wahres Antlitz zeigen. An diesem undurchdringlichen Gesicht muss sich Zöllner und auch der Zuschauer abarbeiten.
Manchmal nimmt der Film auch andere Fäden auf, mit Zöllner befinden wir uns plötzlich in einer Beziehungskrise, wenig später sieht man sich wiederum mit den perfiden Mechanismen des Kunstbetriebes konfrontiert. Man muss sich "Ich und Kaminski" wie eine Ansammlung wunderbarer Vignetten, verspielter wie ironischer Miniaturen vorstellen - nur manchmal taucht die Frage auf, welcher Faden hält sie eigentlich zusammen? Welcher Erzählung folgt man? Vielleicht möchte "Ich und Kaminski", so wie der Maler im Film, seine Identität nie ganz preisgeben. Vielleicht hat Wolfgang Becker aber auch einfach sein Thema aus den Augen verloren?