"In Zeiten des abnehmenden Lichts"
Regie: Matti Geschonneck
Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase
Darsteller: Bruno Ganz, Sylvester Groth, Evgenia Dodina, Alexander Fehling
Deutschland 2017
Als es die DDR gerade noch gab
1989 in der DDR: In Matti Geschonnecks neuem Film "In Zeiten des abnehmenden Lichts" wird die ganze Absurdität klar, mit der die noch immer überzeugten Genossen auch kurz vor dem Ende an Floskeln und ihrem Arbeiter- und Bauernstaat festhielten. Ein Streifen, den unser Kritiker Jörg Taszman nur empfehlen kann.
Berlin: Hauptstadt der DDR 1989. Genosse Powileit wird 90 und das "Neue Deutschland" berichtet darüber auf der zweiten Seite. Der verdiente Altkommunist erhält wieder einmal einen Orden - und die lokale Parteiprominenz gratuliert ebenso wie der ABV (Abschnittsbevollmächtigter) der Staatsicherheit und der Vertreter einer Molkereibrigade, die den Ehrennamen Wilhelm Powileit trägt.
Nur die engste Familie ist nicht mehr so ganz auf Parteilinie. Während in Prag und Budapest DDR-Bürger abhauen, hat sich auch der Lieblingsenkel Sascha in den deutschen Westen abgesetzt.
Auch Kurt, der Stiefsohn, erzählt plötzlich vor versammelten Gästen vom Gulag, und seine russische Ehefrau Irina erscheint einmal mehr betrunken zur Party. Die DDR lebt gerade noch, so wie der Patriarch, der sich mal ironisch offen, dann wieder stalinistisch brutal hinter seiner Senilität versteckt. Das Ritual des Feierns muss durchgezogen werden, auch wenn es nichts mehr zu feiern gibt.
Regie, Kamera und Ausstattung sind top
Regisseur Matti Geschonneck reduziert die ausufernde Geschichte der Romanvorlage von Eugen Ruge zwischen Mexiko, Sibirien und der DDR auf einen einzigen Tag und kann sich dabei auf seine Hauptdarsteller verlassen. Bruno Ganz gibt den gebrechlichen Patriarchen und Parteibonzen ebenso augenzwinkernd wie polternd, Sylvester Groth als Kurt mag die Fassade immer weniger aufrecht erhalten und spielt voller Zwischentöne einen zweifelnden Kommunisten.
Die aus der Sowjetunion stammende Israelin Evgenia Dodina spielt Irina als desillusionierte Ehefrau und Mutter, die sich das Leid wegsäuft und doch immer ihre Würde bewahrt. Besonders lohnens- und lobenswert sind die längeren russischsprachigen Passagen des Films, eher untypisch im deutschen Kino, aber sehr gut inszeniert.
Die DDR steht in diesem eigentlich ernsten Kammerspiel tragikomisch wieder auf. Dabei spielen auch die sehr guten Dialoge von Wolfgang Kohlhaase eine Rolle, die vor allem die typisch hohlen Floskeln der DDR-Genossen bei öffentlichen Anlässen fast absurd erscheinen lassen. Regie, Kamera und Ausstattung sind top. Die DDR von innen als Familiensaga funktioniert auch im Kino!