Neu im Kino

Klug und berührend

Die Schauspieler Sophie Nelisse und Nico Liersch am 23.01.2014 bei der Premiere des Films "Die Bücherdiebin" im Kino Zoo-Palast in Berlin
Die Schauspieler Sophie Nelisse und Nico Liersch © picture alliance / dpa / Eventpress Stauffenberg
Von Jörg Taszman |
"Die Bücherdiebin" erzählt von einer Freundschaft im Dritten Reich und ist eine gelungene Verfilmung des gleichnamigen Romans - vor allem wegen des frischen Spiels der jungen Darsteller. Die alltägliche Bedrohung im NS-Staat wird für den Zuschauer spürbar.
Hollywoodverfilmungen, die in der Nazizeit spielen, sind oft mit Vorsicht zu genießen. Zu demonstrativ, zu eindeutig und politisch korrekt wenden sich diese Werke oft in erster Linie an amerikanische Zuschauer, die zu sehr im Gut-Böse -Schema verhaftet sind. Und zugegeben der Trailer von "Die Bücherdiebin" ließ Schlimmes erwarten: süßliche Musik, Zeitlupeneffekte und Bilderbuchnazis.
Aber und das ist die positive Überraschung, die Verfilmung des Bestsellers des Australiers Markus Zusak ist wirklich gelungen und das liegt vor allem am frischen Spiel der jungen Darsteller. Die Frankokanadierin Sophie Nélisse spielt Liesel, ein blondes deutsches Mädchen, das nach der Verhaftung der Mutter, die Kommunistin sein soll, bei Pflegeeltern in Süddeutschland landet. Bei Hans und Rosa lernt sie schnell zu überleben. Die neue "Mama" (Emily Watson, sehr überzeugend) wirkt zunächst eher herb und verbittert. Hans (Geoffrey Rush, einen Tick zu liebenswert) dagegen baut das Mädchen auf, ist immer für sie da und bringt ihr das Lesen bei.
Liesel lebt sich schnell ein und findet im blonden Rudi einen jungen Freund. Über ihre Vergangenheit darf sie nicht reden, auch nicht über ihre frühe Begegnung mit dem Tod. Ihr Bruder starb vor Entkräftung. Es ist übrigens der Tod, der - wie im Buch - als Ich-Erzähler durch die Handlung führt, auch wenn das im Film nicht durchgehend funktioniert.
Vielschichtige Figuren, kaum Klischees
Wenige Tage nach der Pogromnacht vom November 1918 steht Max, ein junger Jude, vor der Tür. Hans und Rosa verstecken ihn und für Liesel beginnt eine neue, ganz andere Freundschaft, die vor allem über Erzählen und Literatur funktioniert.
Neben den guten Darstellern, der liebevollen Ausstattung und der souveränen Kameraführung durch Florian Ballhaus, kann auch die Regie des "Downton Abbey"-Regisseurs Brian Percival punkten. Er fängt das Alltagsleben im NS Staat ein, schafft meist komplexe, vielschichtige Figuren und verzichtet weitgehend auf Klischees. Die Inszenierung stellt bis auf wenige, demonstrative Massenszenen wie die "Bücherverbrennung" die Schrecken dieser Zeit nicht zur Schau, sondern lässt eher die alltägliche Bedrohung anklingen. Man spürt, was es bedeutet, in permanenter Angst zu leben, verhaftet oder verschleppt zu werden.
So ist "Die Bücherdiebin" ein ebenso kluger wie berührender Film geworden. Damit war bei dieser amerikanisch-deutschen Koproduktion, die in Babelsberg und Görlitz entstand, nicht unbedingt zu rechnen.
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