Neu im Kino: "Life"

Das Geheimnis des James Dean

Eine Frau blickt auf ein Schwarz-Weiß-Bild mit James Dean, der den Times Square entlang geht.
James Dean auf dem Times Square: Eine der bekanntesten Aufnahmen von Dennis Stock. © dpa/picture alliance/Norbert Försterling
Anton Corbijn im Gespräch mit Susanne Burg · 19.09.2015
Der US-Schauspieler James Dean war die Jugendikone der 50er-Jahre. Ein Erfolg, den er auch dem Fotografen Dennis Stock verdankte. Regisseur Anton Corbijn erzählt in "Life" von der Entstehung legendärer Porträts - und der Beziehung zweier gegensätzlicher Männer.
Susanne Burg: Anton Corbijn, Sie wurden in dem Jahr geboren, als Dennis Stock das berühmte Foto von James Dean auf dem Times Square geschossen hat, nämlich im Jahr 1955. Sie sind dann selbst Fotograf geworden – welche Beziehung hatten Sie vor dem Film zu den Bildern von Dennis Stock?
Anton Corbijn: Das einzige Bild, das ich tatsächlich von Dennis Stock kannte, war das von James Dean auf dem Times Square. Als ich aufwuchs, war das allgegenwärtig. Die Leute hatten es oft als Poster an der Wand hängen. Aber über Dennis Stock wusste ich nicht viel, bis ich dieses Skript las und mir seine Fotos ansah und feststellen konnte, dass er ein großer Dokumentarfotograf war, insofern, als seine Herangehensweise sehr dokumentarisch war. Er hatte also keinerlei Einfluss auf meine Fotografie gehabt, weil ich ihn erst so spät entdeckte. Aber es gibt vielleicht schon einige Ähnlichkeiten in meiner frühen Fotografie – ich hatte auch diese eher dokumentarische Herangehensweise, in der die Umgebung der fotografierten Person eine wichtige Rolle spielt.
Burg: Das Drehbuch war ja schon fertig, als Sie dann zu dem Film kamen. Sie selbst – Sie haben eben erwähnt, dass es Parallelen gab –, als Sie angefangen haben, haben Sie die Karriere des Musikers Herman Brood begleitet, der wurde dann zu einem sehr bekannten niederländischen Musiker. Nun geht es im Film eben um die Geschichte zwischen James Dean und Dennis Stock – was von Ihren eigenen Erfahrungen haben Sie dann in den Film mit eingebracht und was war Ihnen auch wichtig mit einzubringen?
Corbijn: Die Erfahrungen mit Herman Brood sind durchaus vergleichbar, aber als Fotograf war mir vor allem wichtig, wie man diese Momente erlebt, in denen man ein Foto macht. Ich erinnere mich, wie wir die Times-Square-Szene für den Film aufnahmen und die Produzenten sagten: Oh, das ist ein großer Moment für Rob, Dennis macht sein Foto auf dem Times Square! Und ich musste sagen: Nein, das ist nicht der große Moment, der kommt später, wenn das Foto lebendig wird. Während man das Foto unterwegs im Regen schießt, kann man diese Ekstase gar nicht spüren, die sich einstellt, wenn man merkt, dass man ein ikonografisches Foto gemacht hat. Ich musste diese Begeisterung aus meiner eigenen Erfahrung heraus also ein bisschen dämpfen.
Ein einsamer Typ und Rebell
Burg: Was meinen Sie damit, erst später, wenn das Foto lebendig wird?
Corbijn: Oft brauchen Fotografien ein Leben, ihre Bedeutung wird nicht immer sofort erkannt, erst recht nicht in den 50er-Jahren. Das James-Dean-Foto vom Times Square wurde im März 1955 im "Life Magazine" veröffentlicht als Teil einer Fotoseite, aber es gab noch andere Bilder von James Dean, die gezeigt wurden, nachdem der Film "Jenseits von Eden" herauskam. Er wurde ja von vielen anderen auch fotografiert. Aber erst, als James Dean starb und keine weiteren Bilder mehr nachkamen, stellte sich heraus, dass dieses Foto vielen Leuten etwas sagte. Ich glaube, es hielt ein Versprechen, das einer großen Karriere – da war dieser einsame Typ, ein Rebell, den die Leute mochten, der durch den Regen geht, zwischen den ganzen Kinos, die später seine Arbeit zeigen würden. Ich denke, dieses Bild hat immer mehr an Bedeutung gewonnen, und das lässt sich nicht vorhersehen.
Burg: Es gibt auch eine Szene im Film, wo Dennis Stock anfängt, James Dean zu fotografieren, er legt die Fotos dann seinem Agenten vor, und der sagt, den Fotos fehlt die Seele. Und ich hab mich gefragt, wer sagt eigentlich, wann Fotos eine Seele haben, oder anders gefragt, merken Sie als Fotograf selbst, wann Fotos das Potenzial haben, eine Seele zu bekommen?
Corbijn: Das ist ziemlich schwierig, wenn man derjenige ist, der die Fotos macht, genügend Distanz zu halten, um zu sehen, was ein Bild einem tatsächlich erzählen kann oder welches Gefühl es vermitteln kann. Man ist selber zu nah an dem Moment, in dem man die Aufnahme gemacht hat. Was das Foto wirklich bedeutet, wird erst später klar und anderen Leuten deutlicher, die nicht in diesem Moment hängen geblieben sind.
Die Szene, auf die Sie sich beziehen, ist die, in der der Mann von Magnum, John Morris, sich einige der frühen Bilder ansieht. Da sieht man, wie ein Typ einen Haarschnitt bekommt, wie er am Tisch einschläft, und wenn man nichts über James Dean weiß, weil man keinen Film mit ihm gesehen hat, weil er einfach noch nicht so bekannt ist, mag man denken: Was ist daran jetzt so wichtig? John Morris hatte also nicht Unrecht, aber später, als James Dean dann bekannter war, erhielten diese Bilder viel Aufmerksamkeit. Es war toll, sie zu haben – sie zeigten diese unschuldige Zeit, bevor er berühmt wurde.
Burg: Die beiden umkreisen sich im Film, sie spielen am Anfang Katz und Maus, dann fassen sie Vertrauen, reisen zusammen nach Indiana, und da gibt es dann einen sehr emotionalen Moment, als James Dean wieder abreist und sagt, alles ändert sich so schnell. Dennis Stock beobachtet es, und dann nimmt er seinen Fotoapparat und macht ein Foto von diesem Moment. Als Zuschauerin hab ich gedacht, oh weh, das war unangemessen, dass Stock diesen emotionalen Moment ausnutzt. Wie sehen Sie das, muss man als Fotograf manchmal Grenzen überschreiten, um gute Fotos zu machen?
Grenzüberschreitungen eines Fotografen
Corbijn: Ich denke, man muss das so machen, sonst wird man bestenfalls ein höflicher Mensch. Man muss Situationen herausfordern – hinterher kann man immer noch entscheiden, das Material nicht zu verwenden. Aber wenn man es gar nicht erst hat, kann man diese Entscheidungen auch nicht treffen. Ich habe mal Nacktfotos von Lars von Trier gemacht, wir hatten viel getrunken und ich fing dann an zu fotografieren. Einen Monat später hatte ein Magazin davon Wind bekommen, dass ich diese Fotos gemacht hatte, und sie fragten mich, ob sie die Bilder sehen und veröffentlichen könnten. Da hab ich gesagt, dass ich erst mal Lars fragen muss, weil ich nicht wollte, dass er sich wegen eines verrückten Moments schlecht fühlt, der dann für immer im Netz zu sehen wäre. Er bestand darauf, dass ich die Bilder benutzen sollte. Aber ich habe ihn gefragt, und wenn er gesagt hätte, dass er sich damit unwohl fühlt, hätte ich sie nicht verwendet.
Burg: Ich fand besonders Dane DeHaan interessant, der James Dean darstellt, weil er es schafft, so eine unantastbare Aura zu kreieren. Man merkt die Zerbrechlichkeit seiner Figur, aber diese Zerbrechlichkeit guckt nur hinter so einer Fassade hin und wieder mal hervor. Er äußert viele seiner Gedanken nicht, aber man sieht sie förmlich auf seinem Gesicht, diese Gedanken. Wie erarbeiten Sie so was mit einem Schauspieler?
Corbijn: Dane ist so ein gut vorbereiteter Schauspieler, jemand, der ganz tief in die Figur eintaucht, die er spielen wird. Da gibt es schon so viel Körpersprache und intuitive Details, die er von James Dean durch alle möglichen Kleinigkeiten gelernt hat, die bei ihm in Fernsehshows zu sehen waren, sogar die Art und Weise, wie Dean in der Bar tanzt, hat er sich von James Dean abgeguckt, als der mal irgendwo getanzt hat. Er war sehr präzise mit der Körpersprache.
Eigentlich ist Dane ein ziemlich schlanker Mann, und für den Film musste sein Körper mehr wie der von James Dean werden – James Dean war ein Bauernjunge und so sah er auch aus, nicht mit dem Sixpack, was die meisten Schauspieler heutzutage haben, eher wie jemand, der ein bisschen mollig ist, aber kräftig. Dane musste also einen Ernährungsplan einhalten, der ihn an Gewicht zunehmen ließ. Und Dane hat zum Beispiel keine Ohrläppchen, aber James Dean hatte welche – an all diesen Dingen mussten wir arbeiten. Als Schauspieler nimmt Dane einen so weit mit, dass man ihm die Figur 100-prozentig glaubt. Der physische Vergleich wird immer begrenzt bleiben, aber man muss dem Schauspieler abnehmen können, dass er Herz und Seele von James Dean verkörpert.
Burg: Anton Corbijn, sein Film "Life" läuft jetzt im Kino. Vielen Dank fürs Gespräch!
Corbijn: Das war sehr angenehm, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema