Neu im Kino: "Mali Blues"

Musiker als Friedensstifter

Die malische Sängerin Fatoumata Diawara bei der Eröffnung des Africa-Festivals in Würzburg.
Die malische Sängerin Fatoumata Diawara trifft im Film auf den Tuareg-Musiker Ahmed Ag Kaedi. © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Von Susanne Burg |
In seinem Film "Mali Blues" bringt Regisseur Lutz Gregor vier Musiker aus verschiedenen Ecken Malis zusammen. Der Tuareg aus der Wüste und die Sängerin mit Wohnsitz Paris sind sich zwar irgendwie fremd, aber sie wollen unbedingt für Frieden in Mali sorgen.
Der Flughafen in Bamako. Mit Gitarre und Gepäck steht Fatoumata Diawara in der Eingangshalle und wartet darauf, dass sie jemand abholt. Für den Film "Mali Blues" ist der internationale Shootingstar des Global Pop zurückgekehrt in die Heimat. Mit 19 hatte Fatoumata Diawara Mali Richtung Paris verlassen – nachdem sie zwangsverheiratet werden sollte.
"Heute kehre ich zurück. Ich versuche, mich Stück für Stück wieder einzurichten. Zu akzeptieren und zu vergeben."
Wir sehen sie dabei, wie sie ihr Haus einrichtet, ihre Gitarre neu bespannt, Familie trifft, Kontakt zu Musikern aufnimmt. Musikern wie Ahmed Ag Kaedi, ein Tuareg-Musiker aus dem Nordosten Malis.
"Ich musste aus dem Norden fliehen, aus der Wüste, als die Dschihadisten kamen. Sie haben mich verfolgt, weil ich Musiker bin."
2012 führten radikale Islamisten im Norden Malis die Scharia ein. Musik wurde verboten. Auch Ahmed Ag Kaedi floh und kam ins 1.500 Kilometer entfernte Bamako. Hier fühlt er sich fremd. Er vermisst die Ruhe der Wüste. Und wenn er neben Fatoumata Diawara sitzt, wird klar: Hier findet auch eine malische Annäherung statt.
"Irgendwie habe ich immer das Gefühl, ihr lächelt gar nicht", sagt Fatoumata Diawara – und meint mit "ihr" die Tuareg. Ist das kulturell bedingt, will sie wissen oder ist es die Natur, die Wüste, die dazu führt, dass ihr so ernst seid? Und Ahmed Ag Kaedi erzählt, dass man eben in der Wüste den Schal beim Lächeln vor den Mund legt und wenig zeigt.
Und dann nehmen sie die Instrumente – und sie musizieren zusammen.

Starker Wille zum Frieden

Lutz Gregor: "Der Wille, etwas zum Frieden beizutragen, bei den Musikern ist, glaube ich, sehr stark. Jeder hat gerade in Konfliktsituationen, in einer Kriegssituation diesen starken Impuls, wir müssen für den Frieden in unserem Land sorgen, die Gemüter besänftigen, die Konflikte dämpfen und mit unserer Musik, mit unseren Musikclips Einfluss nehmen."
Regisseur Lutz Gregor kennt sich aus in Mali. Er war schon für frühere Filmprojekte in dem westafrikanischen Land. In "Mali Blues" porträtiert er vier ganz unterschiedliche Musiker und zeigt, wie gespalten das Land ist und wie groß der Wille bei einigen Musikern, die Probleme zu überwinden.
"Es gibt halt bestimmte Konflikte, und die sind auch noch nicht gelöst. Zum Beispiel ist es so, dass die Tuareg im Süden des Landes, in Bamako, immer noch nicht sehr beliebt sind, weil gesagt wird, die Tuareg haben den Islamisten Tür und Tor geöffnet, weil sie für die Unabhängigkeit des Nordens gekämpft haben, und da gibt es dann eben auch, ich sage mal, unter den Musikern Animositäten, und das spürt man auch, tritt zusammen auf, das heißt aber nicht, dass man unbedingt hinter der Bühne zusammen isst."
Der unbedingte Wille, Gräben zu überwinden, beeindruckt im Film, und gleichzeitig wirkt es ein bisschen kitschig – fast wie "We are the world" - , wenn vier Musiker gemeinsam die Straße entlanglaufen und alle zusammen für den Frieden singen.

Tradition versus Moderne

Stark ist "Mali Blues", wenn er die Spannungsverläufe aufzeigt. Wenn der Griot Bassekou Kouyaté seine Funktion als Wächter der Tradition preist – und der Rapper Master Soumy erklärt: Er schreibe keine Elogen auf die Herrschenden wie die Griot, er decke Missstände auf, und das sei wichtig.
"Misshandeln, töten, quälen, foltern" – rappt Master Soumy in einem Song – "erklärt mir euren Islam!"
Seit den späten 1990er-Jahren sind die Hiphop-Stars aus dem Senegal auch in Mali beliebt. Fast weitere zehn Jahre dauerte es dann aber, bis sich der Hiphop auch in Mali durchsetzte.
Die musikalischen Richtungen sind so vielfältig in Mali, es ist unmöglich, sie in einen Film zu pressen. Und trotzdem: In einer kurzen Szene sieht man auf einem Platz Jugendliche tanzen und hört aus billigen Boxen eine wilden Dance-Mix dröhnen.
Unweigerlich frage ich mich: Ist das die angesagte Musik der Jugend derzeit? Gerne würde ich mehr davon hören, aber das ist nicht der Fokus des Films. Lutz Gregor konzentriert sich auf die politisch aktiven Musiker und bedient damit natürlich auch ein westliches Interesse. Und reflektiert trotzdem sehr genau, was er da tut.
"Es ist klar, wir fahren nach Afrika mit dem Blick von weißen, reichen Westlern. So, und dann ist es aber schon so, bei allen Schwierigkeiten und Widersprüchen, sich an ein Land wie Mali da zu gewöhnen, weil da gibt es einfach viele Widersprüche und du siehst viel Elend, du siehst Dreck. Das ist alles nicht einfach, und trotzdem versucht man, so weit wie möglich, Informationen zu sammeln, zu recherchieren, sich ein bisschen, ein Stück zu adaptieren und auch die eigenen Vorurteile unserer eigenen ganzen meinetwegen postkolonialen Projektionen aufzulösen."

Bewegende Momente

"Mali Blues" merkt man an: Er ist sorgfältig recherchiert und durchdacht, der Regisseur ist den Musikern nahe gekommen. Er versucht, sich dem Land mit einem Blick von innen zu nähern. Das ist die große Stärke des Films.
Und er fängt bewegende Momente ein: Zum Beispiel, wenn Fatoumata Diawara das erste Mal überhaupt als großer Star in ihrem Heimatland auftritt. Und die Menschenmenge jubelt und tobt. Dann merkt man: Musik hat eine Kraft. Oder abgeklärter ausgedrückt, durch Fatoumata Diawara: Politisch haben wir in Mali nicht viel verstanden, musikalisch schon.
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