Peter Handke – Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte ...
Regie: Corinna Belz
Dokumentation (Deutschland 2016), 89 Minuten
Monolith mit unglaublicher Präzision
Die Regisseurin Corinna Belz hat einen Dokumentarfilm über Peter Handke gedreht. Dabei hat sie vieles richtig gemacht - und trotzdem bleibt der Schriftsteller nach knapp 90 Minuten Laufzeit weiterhin mysteriös und unerreichbar.
Leicht macht es sich die deutsche Dokumentarfilmerin Corinna Belz nicht. Für ihre Projekte sucht sie sich immer die großen Monolithen der deutschen Kunstszene. Menschen, die mit Kameras fremdeln, vor ihnen sogar bewusst fliehen. Dennoch entlockte Corinna Belz dem Meistermaler Gerhard Richter unglaubliche Einsichten. Ihr Film "Gerhard Richter Painting" war ein Mega-Erfolg in den deutschen Arthaus-Kinos.
Ähnliches sollte ihr jetzt auch mit Peter Handke gelingen, den sie in "Peter Handke – Bin im Wald, kann sein, dass ich mich verspäte …" porträtiert. Handke macht es ihr aber ungleich schwerer als Gerhard Richter.
Handke ist widerspenstig, verschlossenen, will nicht viel preisgeben. Auch der künstlerische Akt des Schreibens eignet sich nicht gerade, um ihn filmisch spannend und aufschlussreich einzufangen.
Aber Corinna Belz findet einen erstaunlichen Zugang. Sie blickt vor allem auf Handkes Hände. Wie er in seinem Pariser Domizil stickt, wie er den Faden durch die Nadel zieht, wie er im Garten arbeitet – diese Hände in alle ihren Funktionen werden später all das niederschreiben, für das ihn zahlreiche Leser seit vielen Jahren anhimmeln. Werke wie: "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter", "Der kurze Brief zum langen Abschied", "Das Gewicht der Welt" oder "Immer noch Sturm".
Belz kann Handke viel Intimes entlocken
Corinna Belz schafft es durch ihre behutsame Art, Handke sehr intime Aussagen zu entlocken. Sie verbindet auch einige Aussagen seiner Lebensgefährten und seiner Kinder. Aber das sind nur Einsprengsel. Im Zentrum steht die Beobachtung des Schriftstellers.
Besonders spannend sind jene Momente, in denen sie mit ihm über sein Verständnis von Sprache und Literatur spricht. Mit konkreten Beispielen aus seinem Werk tritt die unglaubliche Präzision von Peter Handke an den Tag. Für jeden Handke-Leser sind diese Szenen augenöffnend. Alle anderen wollen danach erst recht zu den Büchern greifen.
Belz lässt dabei keinen der großen und kleinen Skandale ihres Protagonisten aus. Von seinem aufsehenerregenden Auftritt bei der Gruppe 47 in Princeton 1966 bis hin zu seiner Positionierung während des Jugoslawien-Krieges in den 1990er Jahren. Zu allem bezieht Handke Stellung, wobei es ihm fern liegt, alles zu erklären. Nicht selten beantwortet er die drängenden Fragen sehr lakonisch, fast ausweichend.
Und trotzdem fügen sich auch diese Momente in das komplexe Porträt eines Schriftstellers, der für die deutschsprachige Literatur der letzten Jahrzehnte zu einer der wichtigsten und prägenden Stimmen geworden ist. Mit diesem Film erlaubt Corinna Belz allen Handke-Lesern und -Kritikern einen kurzen Blick auf den Menschen Peter Handke, der uns aber nach den knapp 90 Minuten Laufzeit weiterhin mysteriös und unerreichbar erscheint.