Ein legendärer Komponist im Porträt
Der Regisseur Stephen Nomura Schible hat den Komponisten Ryuichi Sakamoto fünf Jahre mit seiner Kamera begleitet - bei der Suche nach neuen musikalischen Impulsen. In dieser Zeit erkrankte Sakamoto an Krebs, was er auch musikalisch verarbeitete.
Es gibt wenig, was Ryuichi Sakamoto nicht auf sich nehmen würde, auf der Suche nach dem perfekten Geräusch: Als Klang-Angler am Nordpol, mit dem Mikrofon direkt dran am schmelzenden Schnee der Arktis, der noch aus der Zeit vor der industriellen Revolution stammt - das ist für den 66-jährigen Japaner der reinste Klang überhaupt.
"Die Welt, in der wir leben, ist voller Töne", sagt Ryuichi Sakamoto, und diese Töne der Außenwelt in seine Musik zu integrieren, sie mit dem Klang von Instrumenten zu verbinden - das sei es, was er jetzt hören wolle.
"Die Welt, in der wir leben, ist voller Töne", sagt Ryuichi Sakamoto, und diese Töne der Außenwelt in seine Musik zu integrieren, sie mit dem Klang von Instrumenten zu verbinden - das sei es, was er jetzt hören wolle.
Globale Suche nach dem reinen Klang
Ob in der Arktis, der afrikanischen Wüste, auf der heimischen Terrasse oder im angrenzenden Wald - die fast schon kindliche Neugier, mit der Ryuichi Sakamoto neue Klänge erkundet und sie anschließend für seine Zwecke adaptiert, ist in den vergangenen Jahren zum Herzstück seiner Arbeit geworden - so viel macht der Film deutlich; der Antrieb, der ihn während seiner schweren Krebserkrankung überhaupt weitermachen ließ.
Regisseur Stephen Nomura Schible kommentiert nicht, er lässt ausschließlich den Protagonisten selber zu Wort kommen. Fünf Jahre lang begleitete er Ryuichi Sakamoto mit der Kamera, auch als bei ihm im Jahr 2014 Mundrachenkrebs diagnostiziert wurde.
Und genau darin liegt die große Stärke des Films: Statt rückblickend zu erzählen wirken die Bilder eher wie Sakamotos privates Videotagebuch, eine "Reise ohne Karte und Kompass", wie Schible es nennt. Ob er noch 20, 10 oder nur noch 1 Jahr zu leben habe? Er wisse es nicht, so Sakamoto kurz nach der ersten Behandlung - doch genau daraus ziehe er die Motivation, noch möglichst viele relevante Werke zu hinterlassen.
Filmmusik als Einschränkung und Inspiration
Es war der von ihm bewunderte mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu, für dessen Film "The Revenant" Ryuichi Sakamoto seine krankheitsbedingte Auszeit beendete, auch wenn ihm sein geschwächter Körper dabei schnell die Grenzen aufzeigte.
Filmmusik - das sei Einschränkung und Inspiration zugleich, erklärt Sakamoto, der Anfang der 80er durch das Kriegsdrama "Merry Christmas, Mr. Lawrence" eher zufällig in dieser Branche landete und nur wenige Jahre später für seinen Soundtrack zu "Der letzte Kaiser" mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.
Von Disco-Pop zum Klangexperiment
Doch in diesem Film spielt der Filmkomponist Sakamoto und seine Geschichte eine eher untergeordnete Rolle. Dabei ist es eine lange Reise von seinen Anfängen mit dem "Yellow Magic Orchestra" über zahlreiche Filmprojekte bis hin zu den Klangexperimenten der letzten Jahre; ein großer Bogen, den Regisseur Stephen Nomura Schible im Film klugerweise gar nicht erst versucht zu schlagen.
Vielmehr nimmt er einzelne Stationen von Sakamotos Karriere, um damit bestimmte Denkweisen oder Entwicklungen in dessen Leben zu verdeutlichen: Der große Tsunami zum Beispiel macht ihn 2011 zum politischen Aktivisten; stellvertretend dafür begleitet ihn die Kamera ins Sperrgebiet von Fukushima, wo er - wie er es ausdrückt - dem "Leichnam eines ertrunkenen Klavieres" schmerzliche Töne entlockt.
Über den Menschen, die Privatperson erfährt man so im Verlauf der gut 100 Minuten erstaunlich wenig. Doch wer verstehen möchte, wie Ryuichi Sakamoto arbeitet, woher er seine Inspiration bezieht und was ihn seit vielen Jahren antreibt – der wird an diesem Film viel Freude haben. "Coda" ist das Porträt eines unermüdlich Suchenden, eine gemeinsame Entdeckungsreise in eine neue Klangwelt – und ein Film, der sich und seinem Protagonisten Raum gibt zum Atmen: nicht belehrend, sondern selbsterklärend.
Über den Menschen, die Privatperson erfährt man so im Verlauf der gut 100 Minuten erstaunlich wenig. Doch wer verstehen möchte, wie Ryuichi Sakamoto arbeitet, woher er seine Inspiration bezieht und was ihn seit vielen Jahren antreibt – der wird an diesem Film viel Freude haben. "Coda" ist das Porträt eines unermüdlich Suchenden, eine gemeinsame Entdeckungsreise in eine neue Klangwelt – und ein Film, der sich und seinem Protagonisten Raum gibt zum Atmen: nicht belehrend, sondern selbsterklärend.