"Seefeuer" (Originaltitel: Fuocoammare)
Italien 2016
Regie: Gianfranco Rosi
108 Minuten
Warum die Lampedusa-Doku überschätzt wird
Emotional kalt, filmisch beliebig und mitunter langatmig: Bei der Berlinale gewann Gianfranco Rosis Dokumentarfilm über Flüchtlinge in Lampedusa zwar den Goldenen Bären - unser Kritiker hadert trotzdem mit "Seefeuer", der nun in unseren Kinos startet.
Für viele Flüchtlinge aus Afrika ist die zu Sizilien gehörende Insel Lampedusa das Tor zu Europa. Bei der beschwerlichen Fahrt über das Mittelmeer sind bisher seit 1988 mehr als 20.000 Menschen ums Leben gekommen.
So beginnt "Seefeuer" mit einem Notruf. Wieder ist eines der Schlepperboote in Seenot geraten und die italienische Küstenwache versucht, Menschenleben zu retten. Parallel dazu sieht man Ausschnitte vom Alltag der Italiener auf Lampedusa. Vor allem der etwa 12-jährige Samuele wird so zum Protagonisten.
Man sieht, wie er mit einer Steinschleuder spielt, wie er seekrank wird und sich als kleiner Hypochonder entpuppt. Regisseur Gianfranco Rosi montiert beide Handlungsstränge parallel und macht so deutlich, wie wenig sich die Einwohner Lampedusas mit der Flüchtlingskatastrophe auf ihrer Insel identifizieren.
Nur ein Arzt ist das Verbindungsglied zwischen beiden Welten. Er kann die vielen Toten, Ertrunkenen, Dehydrierten nicht mehr akzeptieren. Doch sein Aufschrei bleibt eine einsame Stimme.
Erkenntnisgehalt bleibt überschaubar
Wenn sich die Kamera Gianfranco Rosis den Flüchtlingen nähert, bleibt der Erkenntnisgehalt überschaubar. Diese Szenen wirken oft zufällig, dramaturgisch kühl montiert und genau das macht diesen Film so sperrig und mitunter anstrengend. Sicherlich gehen die nüchternen Bilder von erfolgreichen und erfolglosen Rettungen nicht spurlos am Betrachter vorüber.
Aber die übergroße Distanziertheit des Regisseurs bleibt nicht unproblematisch. Man spürt nie, dass der italienische Dokumentarist über ein Jahr auf Lampedusa verbrachte. Wirklich überzeugend ist nur die Erzählebene um Samuele, seine Freunde und Familie.
Und so kann man sich mit der Entscheidung der Berlinale-Jury um Meryl Streep, diesen Dokumentarfilm mit dem Goldenen Bären 2016 auszuzeichnen, nicht wirklich anfreunden. Dafür bleibt dieser durchaus wichtige und trotz aller Schwächen auch sehenswerte Film emotional zu kalt und filmisch zu beliebig und mitunter auch langatmig.