Neu im Kino

Sieben Frauen auf Goa und ein Schachgenie

Die Schauspielerin Tannishtha Chatterjee spielt eine der "Göttin" in dem Film "7 Göttinen".
Die Schauspielerin Tannishtha Chatterjee spielt eine der "Göttin" in dem Film "7 Göttinen". © picture alliance / dpa / Jan-Philipp Strobel
Von Christian Berndt · 11.06.2016
In Vorgespult geht es heute um Filme aus drei Kontinenten, die von Solidarität unter Frauen und unter Jugendlichen in sozialen Brennpunkten erzählen.
Freida hat ihre besten Freundinnen seit College-Zeiten nicht mehr gesehen, jetzt hat sie die frühere Clique nach Goa eingeladen, um mit ihnen ein Ereignis zu feiern:
Filmausschnitt: "Oh mein Gott, Du heiratest? – Du willst wirklich heiraten?"
Die Frauen wollen es nun richtig krachen lassen. Die indische-deutsche Koproduktion "7 Göttinnen" beginnt wie eine indische Version von "Sex and the City". Schöne, erfolgreiche Frauen amüsieren sich und reden über Männer. Aber bald wird aus dem Spaß Ernst - die Freundinnen leiden teilweise unter schweren Problemen. Zum Beispiel Pamela, die eine Spitzenstudentin war, aber dann auf Druck der Eltern einen Mann geheiratet hat, der ihre einzige Aufgabe darin sieht, für Nachwuchs zu sorgen:
Filmausschnitt: "Ich muss jeden Tag mit meiner Schwiegermutter zur Untersuchung zu immer neuen Gynäkologen gehen. Seit fünf Jahren sind wir verheiratet, er will ein Baby, klar, und sie ein Enkelkind, so sehnsüchtig. Es liegt immer nur an mir, es kann ja nur die Frau schuld sein, auf keinen Fall der Mann."
Aber auch die anderen Frauen offenbaren allmählich ihre Verletzungen. Es beginnt mit einer handfesten Überraschung, nachdem Freida eröffnet hat, wen sie heiraten will. Und als die Freundinnen beim Ausgehen eine nicht den traditionellen Geschlechterregeln entsprechende Ausgelassenheit zeigen, wird es gefährlich. Regisseur Pan Nalin inszeniert "7 Göttinnen" in einem fürs indische Unterhaltungskino üblichen Genre-Mix aus Komödie und Melodram, legt dabei aber erstaunlich schonungslos den Finger in die Wunden der indischen Gesellschaft. Den Frauen widerfährt Furchtbares, aber sie erleben auch eine wunderbare Solidarität. Ein aufrüttelnder Film, für dessen Realisierung Nalin Jahre brauchte, weil kein Produzent an den kommerziellen Erfolg eines Films mit weiblichen Helden glaubte.

Wieder geht es um Solidarität unter Frauen

Auch der italienische Spielfilm "Ein neues Leben" dreht sich um die Solidarität von Frauen. Adeles Familie betreibt in der süditalienischen Provinz eine Textilfabrik, doch in der Wirtschaftskrise geht der Familienbetrieb pleite. Adele zieht mit Tochter, Mutter und Schwester auf das Landgrundstück der Familie, wo sie nun vom Gemüseanbau leben müssen. Der italienische Regisseur Edoardo Winspeare hat "Ein neues Leben" als bukolische Elegie auf die Krise seines Landes inszeniert. Auf dem leeren Dorfplatz schlagen die wenigen Jugendlichen die Zeit tot, in der Kirche beten die Alten für bessere Zeiten, und in Adeles Familie macht man sich das Leben gegenseitig zur Hölle. Aber die Frauen beginnen auch, auf eine neue Art zueinanderzufinden. "Ein neues Leben" ist als nüchterne Feier der Solidarität von einer spröden Schönheit, die den Alltag dieser abgeschiedenen Welt regelrecht zum Strahlen bringt.

Wahre Geschichte von Armut

In noch viel schwierigeren Verhältnissen leben die Helden des neuseeländischen Films "Das Talent des Genesis Potini". Gen stammt aus einer armen Maori-Familie und ist ein Schachgenie – aber weil er seit Kindheit immer wieder in Nervenheilanstalten war, konnte sich seine Begabung nie entfalten. Jetzt ist er wieder mal draußen und wohnt vorübergehend bei seinem Bruder – dem Chef einer Gang. Es ist kein guter Ort, und Gen sorgt sich um seinen sensiblen 15-jährigen Neffen Mana. Dann bekommt er die Gelegenheit, in einem Schachclub für benachteiligte Jugendliche zu arbeiten. Gen will die Kinder für die nationalen Jugendmeisterschaften trainieren, der Sozialarbeiter hält das für Humbug.
Filmausschnitt: "Ich kann ihnen helfen, dann habe ich eine Aufgabe, und sie haben eine Aufgabe. – Die brauchen nicht so ein Turnier, das ihnen alle Illusionen nimmt. Die haben noch nicht mal Eltern, nur irgendwelche scheiß Gangs und den Knast, keiner ist für sie da."
Aber Gens Enthusiasmus wirkt ansteckend auf die Kinder. Sehr lebensnah vermittelt er ihnen seine Philosophie des Schachs, und auch sein Neffe, der Gens Nähe sucht, möchte mitmachen. Aber sein Vater verbietet es:
Filmausschnitt: "Du hast Mana gestern Abend mitgenommen. – Nein, er ist hinter mir her, Bruder. – Das passiert nicht noch mal. Er muss jetzt ein Mann werden, muss stark werden. Ich will nicht, dass Du ihm irgendwas in den Kopf setzt."
Mana soll bald in die Gang eingeführt werden, aber heimlich macht er im Schachclub mit. Regisseur James Napier Robertson zeigt in diesem auf einer wahren Geschichte beruhenden Film die von Armut gezeichnete Welt mit einem Realismus, der fast beunruhigend authentisch wirkt. Zwar hat man Geschichten von armen Jugendlichen, die über sich hinauswachsen, schon oft im Kino gesehen, aber hier wirkt alles überraschend neu erzählt.
Der charismatische Gen ist in seiner manisch-depressiven Art so unberechenbar, dass man tatsächlich Zweifel an seinem Unternehmen haben kann. Es gibt rührende und auch lustige Momente, wenn etwa beim Schachturnier völlig gegensätzliche soziale Welten aufeinanderstoßen. Aber der Film ist – anders als so oft in Feelgood-Sozialdramen - alles andere als sentimental oder vorhersehbar. Stattdessen hält Robertson die Geschichte spannend in der Schwebe, was einen bis zum Schluss mitfiebern lässt.
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