Kaan Müjdeci: "Sivas"
Mit: Dogan Izci, Ozan Celik
Türkei, Deutschland 2014
Behaupten in einer Männerwelt
In Kaan Müjdecis Film "Sivas" muss sich der elfjährige Junge Aslan in seinem anatolischen Heimatdorf gegen seinen älteren Bruder und traditionelle Strukturen behaupten. Statt sich gegen die harte Männerwelt aufzulehnen, kämpft er um einen Platz in ihr.
Es war einmal in Anatolien - so könnte der Obertitel vieler türkischer Filme lauten. Denn immer wieder nimmt uns das türkische Kino mit in die Weite der anatolischen Landschaft, in abseits gelegene Dörfer, in denen die Moderne noch längst nicht eingezogen ist. Kalt und irgendwie auch abweisend wirkt die Umgebung, in der der elfjährige Aslan groß wird.
Seinen dicken Anorak trägt der kleine Junge wie einen Schutzschild. Sein Leben ist ein einziger Behauptungskampf. Er muss sich gegenüber seinen Klassenkameraden behaupten, die aus sozial bessergestellten Elternhäusern kommen und deshalb bevorzugt werden. So ergattert nicht Aslan die Rolle des Prinzen in einer Märchenaufführung in der Schule, sondern sein Konkurrent Oslam, der der Sohn des Dorfvorstehers ist.
Auf Augenhöhe, aber nicht aus Kinderperspektive
Auch muss sich Aslan gegen seinen älteren Bruder und die traditionellen Strukturen im Dorf behaupten. Als er den angeschlagenen Kampfhund Sivas findet, pflegt er ihn, trainiert ihn für neue Kämpfe - mit Erfolg. Aslan verschafft sich Respekt, wird von den älteren Männern im Dorf mehr und mehr anerkannt.
Bei diesen Versuchen, Fuß in einer männlich dominierten Welt zu verfassen, beobachtet ihn die Kamera aus behutsamer Distanz. Sie ist in seiner Augenhöhe und nimmt dennoch nie die Perspektive eines Kindes ein. Vielmehr lernt man über Aslan eine autoritäre und harte Welt kennen. Aber statt sich gegen diese aufzulehnen, möchte er ihr angehören. Aus dieser Ambivalenz zieht der Film eine ungewöhnliche Spannung und auch seinen Reiz.