"The Look of Silence"
Regie: Joshua Oppenheimer, USA/Indonesien 2014, 103 Minuten
Kompromisslos und hart
Der amerikanische Dokumentarfilmer Joshua Oppenheimer zeigt in seinem zweiten Film über den Massenmord in Indonesien unter General Suharto keine explizite Gewalt. Stattdessen forderte er die Täter von damals auf, ihre Taten nachzustellen. Ein grauenvoller Film.
Wenn im Oktober Indonesien als Gastland der Buchmesse gefeiert wird, dann werden sicherlich auch einige Bücher zaghaft den Massenmord an "angeblichen" Kommunisten unter General Suharto 1965-66 thematisieren. Die Tat ist weiterhin ein gesellschaftliches und politisches Tabu im Land. Über das Massaker wird nicht gesprochen, nicht berichtet, es wird nicht daran erinnert.
Dass diese Regel langsam aufgeweicht wird liegt vor allem an den Dokumentarfilmen des Amerikaners Joshua Oppenheimer. In dem für einen Oscar nominierten Dokfilm "The Act of Killing" hat Oppenheimer die Täter von damals besucht und zu Wort kommen lassen. Mehr noch: Er hat sie ihre unvorstellbaren Gräueltaten nachspielen lassen und stieß dabei auf gar keine Gegenwehr. Der Film wurde in Indonesien verboten, aber nach der Oscar-Nominierung begann immerhin eine zaghafte Diskussion im Land.
Eine ähnliche Wirkung könnte der zweite Oppenheimerfilm "The Look of Silence" haben. Es ist eine elegante Fortführung von "The Act of Killing", nur dass Oppenheimer sich nun der Opferperspektive widmet. In den Fokus stellt er Adi, einen wandernden Optiker, der von Dorf zu Dorf geht und den Bewohnern Brillen verpasst. Nebenbei fragt er sie nach ihren Erfahrungen von 1965-66.
Schrecklich präzises Reenactment
Und so hört er die ganze Palette von Verleumdung bis hin zu tränenreichen Beschreibungen der Massaker an nahen Verwandten und Freunden. Doch Adis unbeteiligter Blick der Stille (daher der Titel) täuscht. Auch er ist Opfer. Er verlor seinen Bruder an die Schlächter. Oppenheimer hatte zufällig auch die Mörder von Adis Bruder interviewt und sie gebeten, die furchtbare Tat nachzustellen. Auch das betrachtet Adi als Video und durchlebt so den Tod seines Bruders in einem schrecklich präzisen Reenactment.
Diese kompromisslose Methode macht Oppenheimers Filme so hart. Dabei gibt es keine expliziten Gewaltszenen zu sehen, es ist viel eher die Tatsache, dass die ungestraften Mörder von damals ihre Taten nachstellen, als wäre es eine lustige Erinnerung an "die gute alte Zeit". Das Grauen des Massakers und seine Verleugnung durch alle nachkommenden Generationen rücken so ins Zentrum seiner Betrachtung. Aber auch der Einfluss des Westens, der sich wohl wissend um das Morden, aus der Verantwortung zog.
Oppenheimers Filme sind also keine harmlosen Dokumentarfilme. Sie sind - kaum hoch genug einzuschätzende - aufklärerische Dokumente, die wider das Vergessen arbeiten. Denn ohne es direkt zu zeigen, verzeichnet Oppenheimer jede Vergewaltigung, jede Infizierung, jeden abgehackten Fuß, jedes ertränkte Kind und ruft in die Welt hinaus: Es hat diese Menschen gegeben. Es ist Zeit, sich an sie zu erinnern.