Neu im Kino

Tolle Jungs und blöde Jungs

Von Jörg Taszman |
Ein guter Film über einen Jungen aus der sogenannten Unterschicht - und ein mäßiger Streifen über arrogante Studenten aus der britischen Oberschicht starten im Kino: Sehr sehenswert ist "Jack" von Edward Berger vor allem wegen des grandiosen Darstellers Ivo Pitzker, während "The Riot Club" von Lone Scherfig dramaturgisch schwach bleibt.
Sie sind reiche, arrogante Studenten in Oxford und exklusive Mitglieder des berüchtigten "Riot Clubs", dem nur zehn Mitglieder angehören dürfen. Zu Beginn des neuen Semesters muss der Club nun zwei neue Mitglieder rekrutieren, den eher sympathischen Miles und seinen Widersacher, den intriganten Alistair.
Während Miles, der sich mit der hübschen aber aus einfachen, sozialen Verhältnissen stammenden Laureen liiert, halbwegs bodenständig eingeführt wird, bleiben die restlichen Mitglieder des Riot Clubs eher eindimensional. Und so ist es erklärtes Ziel der jungen Männer, nur für den Rausch zu leben, sich sinnlos zu betrinken oder zu randalieren und Huren für die ganz primären Triebe zu engagieren.
Aber in der endlos langen Schlüsselszene des Films, dem berüchtigten Club Dinner, inszeniert Lone Scherfig nur die sich immer steigernden Exzesse: Und genau im Mangel an einer komplexeren Dramaturgie und der Figurenzeichnung besteht das Hauptproblem des neuen Films der dänischen Regisseurin. Lone Scherfig feierte 2000 mit dem Dogma-Film Italienisch für Anfänger ihren internationalen Durchbruch und konnte letztens mit An Education und Zwei an einem Tag kommerzielle Erfolge verbuchen.
Wenn sich Klassengegensätze so banal darstellen lassen und die britische "Upper Class" nur als snobistisch, menschenverachtend, brutal und zynisch dargestellt wird, bleibt einem als Zuschauer kaum ein Erkenntnisgewinn. Viele der jungen Darsteller hat man kürzlich in anderen britischen Filmen sehr viel besser gesehen. So bleibt positiv lediglich herauszuheben, dass man nicht versucht - wie in den meisten Hollywoodfilmen - die unüberbrückbaren sozialen Gegensätze durch ein politisch korrektes, aber verlogenes Happy End zu nivellieren.

The Riot Club
Großbritannien 2014
Regie: Lone Scherfig
Mit: Sam Claflin, Max Irons, Douglas Booth
106 Minuten

Es ist einfach rührend und herzzerreißend, wie der neunjährige Jack sich mit seinem sehr viel jüngeren Bruder allein durchs Alltagsleben und Berlin kämpft. Seine noch sehr junge Mutter Sanne kann liebevoll sein, ist jedoch fast nie für ihre Kinder da. Sie ist auf eine irritierende Weise verantwortungslos, weil sie einfach nur an sich denkt, feiern und mit Männern schlafen möchte und ihr die Kinder dabei einfach hinderlich sind.
Es gehört zu den Stärken des Films, dass er sich nicht in Sozial- oder Hartz IV-Klischees verliert. Diese von Luise Heyer durchaus sympathisch verkörperte Sanne ist nicht sozial verarmt oder durch die Härten des Lebens verbittert. Sie kümmert sich einfach nur um sich selbst und meint es völlig ernst, wenn sie ihre beiden Jungs nach tagelanger Abwesenheit wieder sieht und fragt: “Was habt ihr so gemacht?“
"Jack" lebt ganz von der Darstellung des heute elfjährigen Ivo Pitzker, der mit diesem unglaublichen Ernst eines Kindes versucht, das Leben zu meistern, aber doch oft einfach überfordert ist. Wie in einem Roadmovie streift er immer auf der Suche nach der Mutter oder nach einer Bleibe durch Berlin und die Nacht, der Verkehr und die oft unwirtlichen Neubauten haben etwas Bedrohliches.
Wie in den besten Filmen der Brüder Dardennes baut sich eine fast unerträgliche Spannung auf, man leidet physisch mit diesem Jungen mit. Und so ist es dieser kleine, aber feine Film JACK, der dem deutschen Kino in diesem Jahr eines seiner raren Höhepunkte abringt. Nur selten ist eine unaufgeregte Sozialstudie bei uns so präzise beobachtet und im besten Sinne emotional und dramaturgisch stimmig.

Jack
Deutschland 2014
Regie: Edward Berger
Mit: Ivo Pitzker, Luise Heyer, Georg Arms
102 Minuten

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