Neu im Kino: "Träum was Schönes"

Ergreifender Film über die Suche nach der Wahrheit

Szene aus dem Film "Träum was Schönes - Fai bei Sogni"
Szene aus dem Film "Träum was Schönes - Fai bei Sogni" von Marco Bellocchio © Movienet Film/Simone Martinetto
Von Patrick Wellinski |
Massimos Mutter stirbt früh und keiner sagt ihm, warum. Als Erwachsener trifft er eine Frau, die seiner Mutter ähnelt und langsam beginnt er hinter das Geheimnis seines Lebens zu kommen. "Träum was Schönes" von Marco Bellocchio ist mehr als billige Küchenpsychologie.

Worum geht es?

Basierend auf dem autobiografischen Roman des italienischen Sportjournalisten und Schriftstellers Massimo Gramellini erzählt der italienische Altmeister Marco Bellocchio die Lebensgeschichte des kleinen Massimo, dessen Mutter mit 38 Jahren stirbt. Doch die Umstände des Todes werden dem Kleinen nie erklärt. Sie sei am Herzinfarkt gestorben, sagt der Vater. Sie sei jetzt sein Schutzengel, sagt der Priester. Früh gräbt sich in dem Jungen der Zweifel ein. Diese schicksalhafte Nacht sucht ihn auch im Erwachsenenalter heim. Da ist Massimo längst ein bekannter Sport- und Kriegsreporter, der aus dem Jugoslawienkrieg wieder kommt, um die alte Wohnung seiner Mutter auszuräumen. Als er eine Ärztin kennen lernt, die seiner Mutter ähnelt, beginnt Massimo langsam hinter das Geheimnis seines Lebens zu kommen.

Was ist das Besondere an dem Film?

"La famiglia è tutto" heißt es im Italienischen, die Familie ist alles. Das bedeutet aber auch, dass alles Familie ist. Seit seinem fulminanten Debüt "Die Faust in der Tasche" (1965) sind genau jene großen und kleinen Gefühlsexplosionen zwischen Familienmitgliedern das große Thema des Regisseurs Marco Bellocchio. Häufig steht dabei der Verlust eines nahen Verwandten am Anfang. Da reiht sich "Träum was Schönes" in seiner unaufgeregten Erzählhaltung sehr schön in das Gesamtwerk ein. Massimos innere Qualen spiegelt Bellocchio gekonnt an der vorbeirauschenden Kultur- und Weltgeschichte. Alte Filme wie "Nosferatu" und ein Soundtrack von italienischen Schlagern bis hin zu Deep Purple weben dabei einen feinen, unaufdringlichen Zeitstrahl durch diese Geschichte der privaten Trauer. Es ist ein Film, in dem häufig Türen und Fenster geöffnet werden, als würde Massimo ständig versuchen, das Private ins Öffentliche zu überführen. Damit geht der Film auch schmerzhaft-intimen Fragen nach Selbstbetrug und Selbstbehauptung nicht aus dem Weg.

Bewertung

Bellocchio hat mit "Träum was Schönes" einen stillen und ergreifenden Film geschaffen, dessen emotionale Wahrhaftigkeit auch etwas Universelles bekommt. Massimos Einsamkeit wird dabei nie ausgestellt oder lächerlich gemacht. Seine Wahrheitssuche, sein Ringen mit der traumatischen Kindheit zeigt der Film als notwendige Auseinandersetzung, an dessen Ende die Akzeptanz der eigenen Wunden steht. Das dies nie in billige Küchenpsychologie mündet, ist die große Leistung Bellocchios und seines berührenden Films.

"Träum was Schönes – Fai bei sogni"
Italien, 2016, 130 Minuten
Regie: Marco Bellocchio
Mit u.a. Valerio Mastandrea, Berenice Bejo
OmU

Nicolò Cabras
Schauspieler Nicolò Cabras während der Präsentation des Films "Träum was Schönes – Fai bei sogni" im November 2016 in Italien. © imago/Pacific Press Agency
Mehr zum Thema