Neu im Kino: "Trash"

Schlüssel zu einem besseren Leben

Die Favela Rocinha am 02.12.2007 in Rio de Janeiro (Brasilien). Die Favela Rocinha im Süden Rios gilt mit ca. 250.000 Einwohnern als größtes Armenviertel in Lateinamerika.
Favela Rocinha in Rio de Janeiro: In einer solchen Siedlung spielt der Film "Trash". © dpa / Peter Kneffel
Von Hans-Ulrich Pönack |
Zwei brasilianische Straßenkinder finden im Müll eine Brieftasche mit einem Schlüssel. Sie wollen damit ein besseres Leben erreichen, geraten aber ins Visier von Polizei und Mafia. Der Film "Trash" von Stephen Daldry und Christian Duurvoort ist mal brutaler Favela-Thriller, mal märchenhaftes Jugend-Drama.
Hier waren Hochkaräter am Werk: Der brasilianische Spitzenregisseur Fernando Meirelles ("City of God" / 2004 / Oscar-Nominierung; "Der ewige Gärtner" /2006 / Golden Globe-Nominierung; "Die Stadt der Blinden" / 2008 / im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes) fungierte als ausführender Produzent. Die literarische Grundlage stammt vom britischen Schriftsteller Andy Mulligan, dessen gleichnamiger Roman 2011 zum Bestseller avancierte. Drehbuch-Autor Richard Curtis, bekannt durch seine Drehbücher zu Hits wie "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" und "Notting Hill", adaptierte den Roman zu einem Film-Skript. Der britische Regisseur Stephen Daldry, 52, hat mit seinen bisherigen vier Spielfilmen sehr viel Zuspruch erfahren: Regie-Oscar-Nominierungen gab es für "Billy Elliot – I Will Dance" (2000); "The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit" (2002) und "Der Vorleser" (2008). Sein vorletzter Streifen, "Extrem laut & unglaublich nah", erhielt 2012 eine Oscar-Nominierung in der Kategorie "Bester Film".
Der Müll ist gigantisch. Am Stadtrand von Rio de Janeiro. Wo die Straßenkinder Raphael (Rickson Tevez) und Gardo (Eduardo Luis) tagtäglich ihrer Arbeit nachgehen: Zu sehen, zu suchen, ob sich etwas von diesem Abfall für sie verwerten lässt. Als der 14-jährige Raphael eine Brieftasche findet, gefüllt mit Geld und einigen anderen Dingen wie Ausweis, Kinderfoto, einem Schlüssel, beginnen die Aufregungen. Korrupte Polizisten interessieren sich ebenso für den Fund wie die Mafia. Schließlich enthält er Beweis-Unterlagen für eine üble landesweite Verschwörung. Fortan sind die Kids, gemeinsam mit ihrem Freund Rato (Gabriel Weinstein), unter ständigem "Beschuss". Vorübergehend können sie beim desillusionierten Pater Julliard (Martin Sheen) und der engagierten Helferin Olivia (Roodney Mara) durchatmen, doch lösen müssen sie "ihr Ding" selbst.
Mix aus britischem Arthouse und brasilianischem Mainstream
Ein Dazwischen-Movie. Mal brutaler Favela-Thriller, mal märchenhaftes Jugend-Drama. Zwischen "City of God" und "Slumdog Millionär" angesiedelt. Mal hartes Milieu, mal detektivischer Spürsinn. "Gott hat uns vergessen", lässt Raphael verlauten. Also müssen sie selber "ackern", dass ihr Traum von einem besseren Leben vielleicht doch möglich werden kann. Motto: "Mit dem richtigen Schlüssel kannst du die Tür weit aufstoßen. Denn niemand wird sie dir freiwillig öffnen". Die kleinen Underdogs erkennen ihre Chance. Besitzen sie doch jetzt "den Schlüssel".
Das Elend, die Slum-Brutalität, die Verachtung der Herrschenden gegenüber den Unterprivilegierten - bei uns: Prekariat; allgemein auch als "Pöbel" tituliert. Drei pfiffige Kids vermögen dieses – gesellschaftliche wie individuelle wie politische – "Gleichgewicht" immens zu stören. In einem Film, der manchmal wie eine exotisch-kriminalistische "Drei???"-Folge aussieht, um sich dann auf eine poren- und seelentiefe Geschichte um Freundschaft, Mut und Bewährung dreier Chancenloser einzulassen. Wobei diese drei jungen Laien-Darsteller phänomenal präsent auftreten und die "Show" spannend vorantreiben. Während die äußerlichen Missstände drumherum bisweilen viel "zu schön" aussehen, als dass sie wirklich ernst genommen werden können.
Der Film "Trash" mixt britisches Arthouse mit brasilianischem Mainstream, authentische Härte mit detektivischer Spannung. In Brasilien wurde der Film sehr gemocht. Wenigstens im Kino soll sich Optimismus verbreiten dürfen.

"Trash" von Stephen Daldry und Christian Duurvoort (GB/Brasilien 2013; Drehbuch: Richard Curtis, Andy Mulligan; nach dem gleichnamigen Roman von Andy Mulligan/2001; Co-Produzent: Fernando Meirelles; Kamera: Adriano Goldman; Musik: Antonio Pinto; 114 Minuten; FSK: ab 12 Jahre)

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