Unser letzter Sommer
Polen/Deutschland 2015, 100 Minuten
Regie: Michal Rogalski
mit u.a.: Jonas Nay, Filip Piotrowicz, Bartlomiej Topa, Steffen Scheumann, André Hennicke
Vom Krieg erzählen, ohne Krieg zu zeigen
Michal Rogalskis Spielfilm "Unser letzter Sommer" ist ein spannendes Experiment: Obwohl er mitten im Zweiten Weltkrieg spielt, bleibt das Kriegsgeschehen im Hintergrund. Kann das aufgehen?
Der letzte Sommer, von dem im Titel die Rede ist, das ist der Sommer 1943. Mitten im Zweiten Weltkrieg kreuzen sich die Wege mehrere Teenager unter fatalen Umständen. Da ist zum einen der polnische Eisenbahnheizer Romek (Filip Piotrowicz), der sich durch seine Starrköpfigkeit permanent mit seinem Vater anlegt, auch weil Romek immer wieder Koffer von deportierten Juden mitnimmt.
Romek verliebt sich in ein Bauernmädchen. In sie verliebt sich auch der junge deutsche Nazi-Kadett Guido (Jonas Nay), der auf seine Ausbildung zum Soldaten keine Lust hat, und am liebsten amerikanische Swing-Platten hören würde, was ihm von seinen Vorgesetzten strengstens verboten wird.
Rogalski versucht in "Unser letzter Sommer" etwas sehr Ehrenhaftes: Einen Film über den Zweiten Weltkrieg zu drehen, ohne dabei die zum Klischee erstarrten Dramaturgien und Bilder, die sich mittlerweile im Kino über diesen Krieg etabliert haben, zu bedienen.
Er flieht vor der Schematik der üblichen Geschichten, in dem er vordergründig von ganz normalen Gefühlen erzählt; von Liebe, Neid und Eifersucht. Der Krieg ist irgendwo im Hintergrund – ganz weit weg. Der Sommer bestimmt – zunächst – das Klima, das Grillenzirpen des polnischen Hinterlands gibt den Ton vor und nicht die Gewehr- und Panzergeschosse der Front.
Mehr Fragen als Antworten
Ist Liebe in Zeiten des Zweiten Weltkrieges möglich?, fragt Rogalski und findet dafür hervorragend dichte und beklemmende Bilder.
So interessant wie die Gegenüberstellung der beiden Jungs einerseits ist (der Deutsche und der Pole durchlaufen quasi die gleichen Stationen im Film, wie Brüder, ohne dass sie miteinander verwandt wären), so ist das Auslassen des Krieges dann doch nicht nur ein Vorteil für den Film. Szenen und Momente, in denen sich das Grausame des Kampfes über die Figuren ergießt, wirken irgendwie weniger schockierend - die Vergewaltigung eines jüdischen Mädchens beispielsweise.
Man sollte "Unser letzter Sommer" als Experiment begreifen. Als einen Versuch, vom Krieg zu erzählen, ohne über den Krieg zu erzählen. Das fängt gut und interessant an und wirft am Ende leider mehr Fragen als Antworten auf. Doch das ist beileibe nicht das schlechteste Urteil, das man über einen Film fällen kann.