Neu im Kino

Völlig verkitscht

Tom Hanks (r) und die britische Schauspielerin Emma Thompson posieren für die Fotografen auf der Weltpremiere von "Saving Mr. Banks" auf dem 57. Londoner Film Festival im Oktober 2013.
Tom Hanks (r) und die britische Schauspielerin Emma Thompson posieren für die Fotografen auf der Weltpremiere von "Saving Mr. Banks" auf dem 57. Londoner Film Festival im Oktober 2013. © picture alliance / dpa / Facundo Arrizabalaga
Von Patrick Wellinski |
Keinen noch so seichten küchenpsychologischen Konflikt lässt Regisseur John Lee Hancock beim Aufeinandertreffen der zickig gezeichneten "Mary Poppins"-Autorin und des mürrischen Walt Disney aus. Eine differenzierte Grundhaltung fehlt.
Lange vor Pixar und jenseits der Zeichentrickwelten von "König der Löwen“ und "Das Dschungelbuch“ sahen Disney-Filme vor 50 Jahren noch so aus: Eine Gouvernante in einem langen schwarzen Rock, mit roten Lippen und markanten Wangenknochen fliegt mit einem ebenfalls schwarzen Regenschirm, dessen Knauf ein sprechender Papageienkopf ist, durch London und direkt in die Hände einer Familie, die sich nicht gerade als Einheit versteht. Ihr Name: Mary Poppins. Und ihre Geschichte machte Walt Disney zu einem der bekanntesten Kinomusicals.
Der Film des Briten John Lee Hancock "Saving Mr.Banks“ beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte von "Mary Poppins“, und zeigt, wie die australische Kinderbuchautorin P. L. Travers (Emma Thompson) nach Los Angeles geflogen kam, um die Verfilmung ihrer erfolgreichen Erzählung mit Walt Disney (Tom Hanks) zu verhandeln. Travers, wie sie der Film zeigt, ist eine alte Zicke, die von der Magie des Kinos nichts versteht, Muscials hasst und nicht möchte, dass ihr Buch verkitscht wird.
Walt Disney bezirzt sie mit dem Argument, er habe die Verfilmung seinen Kindern versprochen. Doch in Wahrheit wittert er das große Geld. Parallel dazu erzählt der Film in Rückblenden vom schwierigen Verhältnis der jungen Travers zu ihrem Vater (Colin Farrell), der als Vorlage für den mürrischen Vater, Mr. Banks, in ihrem Buch herhalten muss. Erst wenn sie mit sich und ihrem Vaterkomplex ins Reine kommt, kann sie ihre eigene harte Schale ablegen und der Verfilmung zustimmen.
Reiner Voyeurismus
Das klingt wie Kitsch und ist de facto Kitsch. Das Drehbuch lässt keinen auch noch so seichten, küchenpsychologischen Konflikt aus. Eigentlich wird hier auf erschreckende Weise demonstriert, wie skrupellos und heuschreckenartig Walt Disney vorgeht, nur um etwas verfilmen zu können. Er nutzt Travor aus, so wie der Film die Frauenfigur in ihrer Einseitigkeit ausnutzt.
Dem Film fehlt es an einer differenzierten Grundhaltung zu seinem Stoff. Regisseur und Drehbuchautor reicht allein die Prämisse, dass hier angeblich geheime Hintergrundgespräche nun erstmals öffentlich gemacht werden. Das ist aber nichts anderes als reiner Voyeurismus, der schon in ähnlich gelagerten Filmen wie "My Week with Merylin“ oder "Hitchcock“ scheiterte.
Die süßliche Musik, die jeden emotionalen Moment zwischen Emma Thompson und Tom Hanks ins Unerträgliche steigert, macht es zusätzlich nicht gerade leicht, "Saving Mr. Banks“ zu genießen. Bei Marry Poppins heißt es in einem Song: "Wenn ein Löffelchen voll Zucker, bitt‘re Medizin versüßt.“ – Übertragen auf den Film ist es eine ganze Lastwagenladung Süßstoff, die hier über die Handlung gekippt wurde. Das können auch der ewige Charme eines Tom Hanks und die süffisante Eloquenz einer Emma Thompson nicht mehr aufwiegen.

Saving Mr. Banks, USA 2013, Regie: John Lee Hancock, Darsteller: Bradley Whitford, Colin Farrell, Emma Thompson, Jason Schwartzman, Paul Giamatti, Tom Hanks, 126 Minuten