"Wild" von Nicolette Krebitz
Mit: Lilith Stangenberg, Georg Friedrich, Silke Bodenbender
Deutschland 2015, 97 Minuten
Animalische Liebesgeschichte zwischen Frau und Wolf
Der Film "Wild" von der Regissseurin Nicolette Krebitz ist beladen - mit Zivilisationskritik, Frauentheorien, er ist zudem als Entfremdungsszenario stilisiert. Die Hauptfigur, eine eigenartige Frau, begegnet einem Wolf: der Beginn einer exotischen Liebe.
Irgendwie schlägt uns diese seltsame junge Frau in den Bann. Man erfährt nicht viel über die Büroangestellte Ania. Sie lebt in einem Hochhaus in Halle, ihr Job scheint sie nicht sonderlich herauszufordern und den Kontakt mit den Kollegen meidet sie. Es ist der graue Look der Bilder, es sind die beiläufigen Aufnahmen von anonymen Hochhaussiedlungen, die hier so präzise von Monotonie und Enge erzählen, dass es keiner Psychologisierung der Heldin bedarf. Es ist ihre spröde, introvertierte und manchmal auch direkte Art, die Ania irgendwie unfaßbar macht – und vielleicht gerade deshalb unser Interesse weckt.
Wenn Ania eines Abends auf dem Nachhauseweg im Stadtwald einen Wolf erblickt, spürt man, dass diese Begegnung etwas in ihr auslöst. Ohne genau zu wissen, was sie bewegt, folgen wir ihren nächsten Schritten, schauen dabei zu, wie sie das Tier fängt, domestiziert, dabei aber selbst verwildert oder - wie der Titel schon sagt- "wild" wird. Man wird Zeuge einer unorthodoxen Befreiung, einer animalischen Liebesgeschichte, sieht wie eine junge Frau sich in Abgründe begibt, die ihr aber ungeahnte Freiräume verschaffen.
Natürlich kann man diesen Film mit einem gewaltigen Überbau beladen: Zivilisationskritik, Frauen- und Weiblichkeitstheorien, Entfremdungsszenario. Natürlich lässt sich über einzelne Szenen diskutieren: Muss die junge Frau wirklich das Revier ihres Chefes in wölfischer Manier markieren? Braucht man wirklich die expliziten sexuellen Phantasien? Warum wird die Frau, die gerade beginnt, ihre eigene Sexualität zu entdecken, von der Kamera wie ein Objekt der Begierde behandelt. Dieser Film ist und will streitbar sein. Und seine Eindrücklichkeit entwickelt er, wenn man sich die Geschichte einszueins anschaut: als eine sehr realistisch gefilmte Annäherung zwischen Frau und Wolf.