Wilder Mix aus Gewalt und Comedy
In der US-Komödie "Dope" gerät ein schwarzer Musterschüler durch einen dummen Zufall ins Gangstermilieu. Die Story ist zwar hier und da etwas unentschieden, doch Hauptdarsteller Shameik Moore verleiht dem Ganzen echten Drive und Charme. Einer unserer Filme in der Kritik.
Rick Famuyiwa: "Dope"
Inglewood, in den Suburbs von Los Angeles. In diesem üblen Viertel lebt Malcolm, der ständig auf der Hut sein muss, dass ihm nicht die Schuhe von den Füßen geklaut werden. Und in der Schule ist der intelligente Junge und Neunzigerjahre-Hip-Hop-Fan mit Grace-Jones-Frisur Mobbingopfer, weil er als Streber gilt – und auch noch nach Harvard will. Sein Vertrauenslehrer ist allerdings nicht begeistert von Malcolms Idee, den Bewerbungsaufsatz über Hip Hop zu schreiben:
"Ich schreib über etwas, was ich lebe. Und ich habe gut argumentiert."
"Ich würde vorschlagen, dass Du etwas Neues schreibst. Etwas über Dich, Deine Familie und Dein Leben."
"Ich meine, ich könnte über das Typische schreiben: Ich komme aus einer sozial schwachen, schwerkriminellen Gegend, werde von meiner Mutter großgezogen, kenne meinen Dad nicht, bla, bla. Das sind Klischees."
Nein, Malcolm hat keine Lust auf die afroamerikanischen Klischees. So wenig wie die amerikanische Komödie "Dope", die leichtfüßig mit Gangsta- und Ghetto-Stereotypen spielt. Etwa als Malcolm auf der Straße von Dom, dem härtesten Bandenchef des Viertels angequatscht wird und sich daraus ein Fachgespräch über Hip-Hop-Kultur entwickelt. Daraufhin lädt Dom Malcolm zu einer Party ein – mit ungeahnten Folgen: Der Club wird von einer feindlichen Gang überfallen, und um seinen Drogenvorrat in Sicherheit zu bringen, steckt Dom den Stoff heimlich in Malcolms Rucksack. Der entdeckt das Drogenpaket ausgerechnet in der Schule:
"Fuck! Ist das echt? Wo hast Du das her?"
"Die Party, Dom hat das reingetan."
Malcolm wird nun mitten ins Drogengeschäft reingezogen. Der nigerianisch-amerikanische Regisseur Rick Famuyiwa hat "Dope" als wilden Gerne-Mix inszeniert – mit abrupten Wechseln von Gewalt und Comedy-Einlagen. Zwar ist manchmal nicht ganz klar, wo das alles hinführen soll – eher in Richtung Coming-of-Age oder Gangster-Story, aber mit dem tollen Schauspieler und Rapper Shameik Moore in der Hauptrolle hat das Ganze Drive und Charme.
Christian Zübert: "Ein Atem"
Von Genremischung kann im deutsch-griechischen Drama "Ein Atem" keine Rede sein – der Film ist eine echte Tragödie. Die junge Griechin Elena zieht zum Arbeiten von Athen nach Frankfurt, ihr Freund will trotz der Perspektivlosigkeit nicht mitkommen. In Deutschland bemerkt Elena bald, dass sie schwanger ist. Sie nimmt eine Stelle als Kindermädchen bei einem wohlhabenden, aber komplizierten Ehepaar an. Nach schwierigem Start scheint es gut zu laufen - bis Elena vor der Bäckerei kurz den Kinderwagen stehen lässt und das Kleinkind entführt wird.
"Ein Atem" beginnt vielversprechend als intensiv gespieltes Drama über Emigration, Fremdheit und enttäuschte Hoffnungen, aber leider türmt Regisseur Christian Zübert die tragischen Geschehnisse in einer Massierung aufeinander, dass die Figuren von der Last des Unglücks förmlich erdrückt werden.
Quentin Tarantino: "The Hateful 8"
Angesichts dessen, was die Helden im Western "The Hateful 8" erleben, hätten sie ebenfalls allen Grund, deprimiert zu sein. Aber weil es sich um einen Quentin-Tarantino-Film handelt, liegen Grausamkeit und ironischer Witz eng beieinander. Acht finstere Gestalten treffen im Schneetreiben von Wyoming in einer Raststation zusammen. Unter anderem zwei Kopfgeldjäger, eine gefangene Schwerverbrecherin und ein Henker. Die beiden Kopfgeldjäger tauschen sich über ihre Arbeitsmethoden aus:
"Ich sehe schon, Du hast keine Gewissensbisse, eine Frau aufzuknüpfen, stimmt's?"
"Mit Frau meinst Du sie? Ich will mit eigenen Ohren hören, wie ihr Genick bricht. Du wartest nie, um zu sehen, wie man sie hängt?"
"Weil meine Kunden niemals hängen, weil ich sie nie lebendig abliefere."
"Niemals?"
"Ist mir zu anstrengend."
"Niemand sagt, der Job muss immer nur leicht sein."
In der Luft liegt Gewalt, zumal in der Hütte auch noch Nord- und Südstaatler aufeinandertreffen – kurz nach Ende des amerikanischen Bürgerkrieges extrem heikel. Und dann scheint einiges darauf hinzudeuten, dass jemand aus der Runde die Befreiung der Gefangenen plant:
"Einer von denen ist nicht das, was er vorgibt zu sein."
"Was ist er dann?"
"Einer, der mit der da unter einer Decke steckt."
"Und, was hast Du dazu zu sagen?"
"Er hat absolut recht. Wir warten nur darauf bis ihr schlaft, und dann töten wir euch alle."
"The Hateful 8" entwickelt sich zum Krimi-Kammerspiel mit Agatha-Christie-Anleihen. Mit der Zeit entladen sich in der feindlichen Nach-Bürgerkriegsatmosphäre Spannungen, Feindschaften und Rassismus. Der Geschichte fehlt zwar der großangelegte filmische und historische Entwurf, der Tarantinos letzten beiden Filme "Inglourious Basterds" und "Django Unchained" auszeichnete, aber das Thema der Selbstzerfleischung einer unbefriedeten Gesellschaft findet in diesem glänzend inszenierten Western einen eindrucksvoll monströsen Ausdruck.