Hetty Berg ist neue Direktorin
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Politische Konflikte prägten die jüngere Geschichte des Hauses. Nun soll das Jüdische Museum in Berlin unter neuer Führung aus dem Krisenmodus herausfinden: Die neue Direktorin, Hetty Berg, geht kreativ an diese Aufgabe heran.
Kein leichter Start für die neue Direktorin: In Zeiten von Corona konnte sie sich ihrer Belegschaft nur per Videokonferenz vorstellen, persönliche Gespräche müssen zunächst warten. Das Museum ist, wie alle anderen auch, geschlossen.
Dennoch ist die 59-jährige Niederländerin jetzt da, seit zwei Tagen sitzt sie ganz physisch in ihrem Büro in Berlin - trotz Virus angereist aus Amsterdam. Dort war sie über 30 Jahre lang Kuratorin am Jüdischen Historischen Museum, seit 2002 außerdem des ganzen jüdischen Kulturviertels mit Kindermuseum, Nationalem Holocaust-Museum und der Holocaust-Gedenkstätte Hollandsche Schouwburg.
Museumserfahrung hat sie also reichlich, ob sie auch mit der schwierigen Gemengelage in Berlin zurecht kommt? – Hetty Berg ist optimistisch.
"Für ein jüdisches Museum in Deutschland zu arbeiten ist etwas ganz anderes als für ein jüdisches Museum in Amsterdam. Der historische und gesellschaftliche Kontext ist natürlich ganz verschieden. Aber Berlin ist gleichzeitig eine Stadt, wo es so viele Jahrhunderte jüdisches Leben gegeben hat und gibt. Und ich glaube, es ist eine sehr spannende Stadt heute, und ein sehr wichtiges Museum. So ich bin sehr froh, dass ich jetzt hier bin."
Debatten ja, Instrumentalisierung nein
Dass Hetty Berg, die aus einer jüdischen Familie in Amsterdam stammt, ihr Amt unbelastet von den deutschen Konflikten antreten kann, ist sicherlich erst einmal ein Vorteil. Ihr Vorgänger war schließlich zurückgetreten – unter dem zunehmenden politischen Druck, der auf ihm und dem Museum lastete.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte eine Ausstellung des Hauses als zu israelkritisch attackiert und verlangt, dem Museum sollten die Gelder gestrichen werden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland entzog dem Museum das Vertrauen, weil es sich in seinen Augen nicht scharf genug von der palästinensischen Boykottbewegung BDS distanziert hatte. Wie politisch darf ein Jüdisches Museum in Deutschland sein?
Für Berg steht außer Frage: Auch in Zukunft soll das Museum ein Ort für Debatten bleiben, werden Migration und der Umgang mit Minderheiten ein wichtiges Thema sein. Doch sie werde nicht zulassen, dass das Museum von der einen oder anderen Seite instrumentalisiert werde.
"Die Arbeit eines solchen Museums ist immer politisch. Das heißt aber nicht, und diese Unterscheidung ist mir sehr wichtig, dass es sich in die Tagespolitik einmischen muss. Aber wir leben in Zeiten zunehmend polarisierter politischer und gesellschaftlicher Diskurse, und ich glaube, dass das Jüdische Museum auch eine gesellschaftliche Rolle spielen soll."
Eine Rolle, die auch durch den wieder zunehmenden Antisemitismus geprägt sein wird. Die Shoah, der Mord an den europäischen Juden werde daher immer einen wichtigen Teil der Dauerausstellung ausmachen. Aber nicht nur:
"Ich will vor allem das jüdische Leben zeigen, und nicht – wie es so häufig der Fall ist – die Geschichte des Todes und der Vernichtung. Wenn die Besucher kommen, sollen sie nicht den Gedanken haben, es ginge nur um Holocaust. Jüdisches Leben ist so viel mehr, und das sollen sie spüren."
Kindermuseum und neue Dauerausstellung
Hetty Berg übernimmt ein Museum, das sich erst mühsam wieder aus dem Krisenmodus herauswinden muss. Wichtige Leitungspositionen sind unbesetzt: Nicht nur die der Pressesprecherin, die wegen eines Tweets der Pressestelle mit einer Leseempfehlung für einen Artikel zum BDS freigestellt wurde.* Auch die Programmdirektorin Léontine Meijer-van Mensch und die Leiterin der Akademie, Yasemin Shooman, warfen im letzten Jahr das Handtuch.
Spätestens im nächsten Jahr sollen zudem das Kindermuseum ANOHA und die neue Dauerausstellung eröffnen. Und sie muss den Faden zu denjenigen in der Jüdischen Gemeinde wieder aufnehmen, denen das Jüdische im Jüdischen Museum zuletzt zu kurz gekommen war. Es gebe nicht nur eine jüdische Perspektive, sondern viele. Die jüdische Gesellschaft sei so heterogen wie die nicht-jüdische, sagt Berg. Und fügt hinzu: Für sie seien Ausstellungen immer dann am reizvollsten, wenn sie ein jüdisches Thema aufgreifen, das gleichzeitig auch größere, universellere Fragen öffnet.
Spätestens im nächsten Jahr sollen zudem das Kindermuseum ANOHA und die neue Dauerausstellung eröffnen. Und sie muss den Faden zu denjenigen in der Jüdischen Gemeinde wieder aufnehmen, denen das Jüdische im Jüdischen Museum zuletzt zu kurz gekommen war. Es gebe nicht nur eine jüdische Perspektive, sondern viele. Die jüdische Gesellschaft sei so heterogen wie die nicht-jüdische, sagt Berg. Und fügt hinzu: Für sie seien Ausstellungen immer dann am reizvollsten, wenn sie ein jüdisches Thema aufgreifen, das gleichzeitig auch größere, universellere Fragen öffnet.
"Für die Zukunft denke ich da beispielsweise an eine Ausstellung über Juden und Sexualität – mit allen ethischen Dimensionen dieses Themas, Sachen wie Heiratsvermittler und die jüdischen Dating-Apps, die es jetzt sehr vielfach gibt. Und ein solches Thema verbindet gleichzeitig die Gegenwart und historische Perspektiven miteinander."
Und auch eine Ausstellung zum jüdischen Mäzen James Simon, dem Berlin unter anderem die Nofretete verdankt, steht auf ihrer Liste. Für die Zeit nach Corona, wenn die Zeiten sich hoffentlich wieder beruhigt haben – in jeglicher Hinsicht.
*Wir haben an dieser Stelle einen arbeitsrechtlichen Sachverhalt präzisiert.