Es gibt keine Brücken mehr zu dem, was ich vorher als Leben hatte. Es ist nichts vergleichbar. Nicht die Art des Lebens, nicht wie ich lebe, nicht mit wem ich lebe, jeder Tag ist neu.
Neuanfang im Alter
Für ihr neues Leben musste Gisela sich mit dem Alleinsein auseinandersetzen: „Ich bin nie einsam, weil ich immer eins mit der Natur bin. Das war ich schon als Kind", sagt sie. © Adama Ulrich
"Ich hatte die Wahl zu sterben oder zu leben“
30:02 Minuten
Als Gisela kurz davor ist, ein Pflegefall zu werden, beschließt sie, ihr Leben zu ändern. Mit Ende 60 zieht sie um. Ihr neues Zuhause: ein umgebauter Kleintransporter. Seitdem befreit sich Gisela von allem, was sie belastet. Oft ist das schmerzhaft.
Seit ihrem 28. Lebensjahr leidet Gisela an einer Autoimmunerkrankung, die vor allem die Gelenke angreift. Mit Mitte 60 kann sie sich kaum noch bewegen und liegt fast nur noch im Bett – bis sie eine radikale Entscheidung trifft.
Unter ärztlicher Kontrolle setzt Gisela nach und nach ihre Medikamente ab, stellt ihre Ernährung um, beginnt zu meditieren und regelmäßig Sport zu treiben. „Ich hatte die Wahl zu sterben oder zu leben“, sagt Gisela.
Sie weiß, dass sie ihr Leben nachhaltig ändern muss. Dass sie vor allem viel Bewegung braucht. Sie will auch raus aus dem alten Trott. Also verkauft Gisela ihre Eigentumswohnung und lässt sich einen Kleintransporter umbauen, in dem sie von nun an leben will.
„Du bist doch bekloppt!“
Gisela hat immer in der Nähe ihrer Freunde und Großfamilie gewohnt, nun will sie mit Ende 60 allein durch die Welt touren. Ihre Entscheidung hat ihre Angehörigen ziemlich polarisiert. "Es gab nur 'gut' oder 'bekloppt'. Was dazwischen gab es nicht“, erinnert sich Giselas Tochter Anke.
Die Winter verbringt Gisela in Marokko, das Klima tut ihren Knochen gut. Im Frühsommer tourt sie mit ihrem Transporter durch Südeuropa. Spanien, Portugal, Italien. Wo es sie gerade hintreibt. Im Frühsommer fährt sie langsam Richtung Deutschland und besucht Freunde und Verwandte, reist dann weiter nach Osteuropa oder in den Norden.
Für ihr neues Leben musste Gisela sich mit dem Alleinsein auseinandersetzen: „Ich bin nie einsam, weil ich immer eins mit der Natur bin. Das war ich schon als Kind. Und das geht mir auf den Reisen genauso. Das heißt aber nicht, dass ich nicht manchmal stundenlang Musik gehört habe, getanzt habe wie eine Irre, um mir das runterzutanzen und zu weinen und zu schreien, weil ich alleine war.“
Das neue Leben oder eine Beziehung?
So sieht zwei Jahre lang ihr Leben aus. Dann passiert plötzlich etwas, das alles auf den Kopf stellt: Gisela verliebt sich.
„Wir haben uns nicht einen Moment fremd gefühlt. Es war einfach eine wunderbare Sache, dass ich gedacht habe: Wow, so was gibt’s im Leben auch für dich?“
Gisela zieht zu ihrem Freund. Doch schon nach kurzer Zeit vermisst sie die neu gewonnene Freiheit. Sie hat doch noch so viel vor.