Beseelter Pop und Songs gegen den Herbstblues
Freejazz, Elektronik, Soul: Mit ihrem zweiten Solo-Album "Love Everything" huldigt Mariam The Believer wie eine Alleskönnerin der Kraft und Essenz der Musik. Außerdem neu im Plattenregal: "Glasshouse" von Jessie Ware und "In Real Life" von Hanne Hukkelberg.
Mariam The Believer – "Love Everything"
Die Schwedin Mariam Wallentin nennt sich: Mariam The Believer - die Gläubige also, und sie glaubt vor allem an die Musik. Auf dem zweiten Solo-Album huldigt sie ihr als Songschreiberin, Arrangeurin, Interpretin und Produzentin.
Auf "Love everything" liebt Mariam The Believer - wenn nicht alles – so doch eine irrwitzige Menge an Sounds und Stilen. Chorgesang, Freejazz, Elektronik, Hiphop-Beats, Soul, kammermusikalische Elemente: Souverän bewegt sich die Alleskönnerin durch unterschiedlichstes Terrain und bringt mit umwerfender Kreativität scheinbar Disparates ins große Miteinander. Transparent, ideenreich, überraschend.
Die Kraft und Essenz von Musik wollte Mariam The Believer mit diesem Album einfangen. Was der Musikerin und Schauspielerin raffiniert gelingt dank einer ganzen Trickkiste an quasi-szenischen Mitteln: Wechseln in Tempo, Textur und Dynamik oft mitten im selben Song, aufgebrochenen Songstrukturen – und der Intensität des Gesangs.
"Love Everything" - beseelt und warmherzig.
Jessie Ware – "Glasshouse"
Die Londoner Songschreiberin Jessie Ware wurde mit ihrem gelungenen Soulpop-Debüt "Devotion" von 2012 zu einer Hoffnungsträgerin in Sachen Post-RnB und Neo-Soul. Nicht zuletzt aus Sicht der Major Labels. Unter die Top-Ten der britischen Album-Charts kam auch das nachfolgende Werk. Nun hat Jessie Ware ihr drittes Album veröffentlicht: "Glasshouse".
Aller guten Dinge sind leider nicht immer drei. "Glasshouse" –frönt dem perfekt produzierten, aber eben auch aalglatten Mainstream-Pop. Und der klingt über weite Strecken quälend langweilig. Das Strickmuster im Songaufbau wiederholt sich, egal, ob Bläser, Keyboard oder Gitarre den Song anführen. Pathos ist die Grundzutat. Das klingt insgesamt oft nach vorvorgestern- genauer nach den 80er-Jahren, häufig auch, was die Lyrics angeht.
Jessie Ware gefällt sich auf "Glass House" in der immer wieder selben Rolle der leidenden Icherzählerin, die auf die starke Schulter wartet, nach dem Motto: ich bin schwach, aber du fängst mich ja auf. Wer einen Song kennt, kennt sie fast alle.
Hanne Hukkelberg – "In Real Life"
"The Whip" hat die Norwegerin Hanne Hukkelberg ihr fünftes selbstproduziertes Studio-Album genannt. Das Titelstück eine radikale Absage an allseits grassierenden Selbstoptimierungswahn. Und wunderbar radikal ist dieses Album auch sonst ..
Mutig und auch ein bisschen exzentrisch mixt sie Naturgeräusche mit fetten Beats oder Ethno-Sounds, bearbeitet bis ins letzte Detail akustische Klänge etwa eines Didgeridoo elektronisch und jagt mit dem Voice-Transformer ihre Stimme durch alle nur denkbaren Frequenzen..
Bei aller Künstlichkeit feiert Hanne Hukkelberg hier "In Real Life" - das pralle Leben: Musik gegen den Herbstblues.