Neue Alben

Das muss man gehört haben - oder auch nicht

Der Sänger Jetlag Johnson von der neuseeländischen Band Fat Freddy's Drop.
Der Sänger Jetlag Johnson von der neuseeländischen Band Fat Freddy's Drop. © dpa / picture alliance / Tiago Canhoto
Von Martin Risel · 23.10.2015
Dub und Jazz aus Neuseeland, Soul aus London und eine Therapie gegen die Sounds von Depeche Mode: Unser Kritiker Martin Risel hat wieder in drei neue Alben reingehört. Vor allem "Bays" von Fat Freddy's Drop hat es ihm angetan.
In seinem rotierenden Vierjahres-Rhythmus aus Depeche-Album und -Tour, Neben-Projekt, dann wieder Depeche Mode - da ist Dave Gahan, der blasierteste der vier blassen Buben aus dem britischen Basildon, wieder bei seinem Nebenprojekt mit den Soulsavers gelandet. Das ist für den schmächtigen und schmachtenden Sänger eine Art Anti-Depeche-Mode-Therapie, wie er dem Guardian verriet.
Mit entsprechendem Tiefgang kommen jetzt auch die Songs vom zweiten Album mit diesen Soulsavers mit dem wenig innovativen Titel "Angels and Ghosts" daher: Mal schwer stampfende, mal frei fließende Seelen-Befreier und Seelen-Tröster, die Gahans vielen Fans weltweit gerade jetzt im Herbst ein bisschen die Depressionen versüßen werden. Bis auf einen überzuckerten Song ist das eine großartige Therapie, zu der man sich gern mit auf Dave Gahan aufs Sofa legt.
Fat Freddy's Drop: Mischung aus Dub und Soul
Und um die Seele geht es heute sowie an dieser Stelle: Unter anderem mit soulgetriebenenen Beats vom anderen Ende der Welt: Fat Freddy's Drop sind wieder da mit ihrem vierten Album "Bays".
So richtig objektiv kann ich natürlich nicht sein, wenn ich ein neues Album meiner Lieblingsband vorstelle, aber um Objektivität geht's hier ja auch nicht. Also, Fat Freddy's Drop zelebrieren auch auf "Bays" wieder ein geniales Gebräu aus Dub und Soul, Jazz, House und Roots-Reggae. Legendär sind vor allem ihre Live-Auftritte - eine Messe urbaner Sounds mit ihrem Sänger Joe Dukie als hypnotisch beschwörendem Hohepriester und einer brass section, die mit dem Publikum ausflippt.
Und der Bigband aus dem neuseeländischen Wellington gelingt wieder die Kunst, diese vielschichtigen Arrangements ihrer ultralangen Live-Tracks ins Studio zu holen. Das Songmaterial ist diesmal noch ein bisschen vielseitiger – jede Menge Stoff, um die Seele nicht auf dem Sofa baumeln, sondern auf dem Tanzboden sich befreien zu lassen. Für mich eines der besten Alben des Jahres.
Ephemerals: Klassischer Soul aus London
Und wir bleiben bei Stoff für die Seele: Mit dem zweiten Album der Ephemerals – klassischer Soul aus London. Im Konzert spielen sie diese Nummer eine Viertelstunde lang – wie auch Fat Freddy's Drop haben mich die Ephemerals zunächst als grandiose Live-Band gepackt, bevor mich auch die Songs von ihrem neuen Album "Chasin' Ghosts" überzeugt haben.
Mit diesem Album-Titel sind wir ja fast wieder bei Dave Gahans "Angels and Ghosts" – da fegen offensichtlich einige Geister durch diesen musikalischen Herbst. Bei den Ephemerals aus London sind es von Sound und Performance her ungute Geister aus der Sklaverei-Geschichte. Sie klingen nach Südstaaten-Soul - ohne der zweihundertste fade Aufguss einer Retro-Soul-Band zu sein. Ihr Sänger shoutet, stöhnt und leidet ganz und gar glaubwürdig, ihre Songs sind gleichzeitig leichtfüßig und tiefgehend – viel mehr kann man von einem Soul-Album nicht erwarten.
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