Das muss man gehört haben – oder auch nicht
Ein Soft-Rocker, der jetzt Funk mit Afro-Beats mixt, Folk-Rocker, die sich neu erfinden und ein Indie-Rocker, der ironische Geschichten vertont. Das sind die Platten in unserer Kurzkritik.
Boy & Bear: "Limit To Love"
Erfolg kann für einen Songschreiber auch kontraproduktiv sein. So geschehen mit Dave Hosking, Sänger der australischen Folkrock-Band Boy & Bear. Nach 170 Konzerten rund um den Globus im Jahr 2014, fehlten dem ausgebrannten Hosking kreative Ideen, Material für das neue, anstehende Album des Quartetts zu schreiben. Kurzentschlossen übernahmen die drei anderen Musiker der Band den Job und leisteten für "Limit To Love", so der Titel des heute erschienenen Albums, ganze Arbeit. Diese neuen Songs sind keinen Deut schlechter als das Material ihres bisherigen Hauptsongschreibers. Zusätzlich fand man in Peter Gabriels Real World Studio eine inspirierende Umgebung und mit Ethan Jones den perfekten Produzenten für den nun mehr am Rock, als an Folk orientierten Sound. Boy & Bear haben sich durch die veränderte Aufgabenverteilung eine regelrechte Frischzellenkur verpasst, die sich in einer deutlichen musikalischen Weiterentwicklung niederschlägt.
Guy Garvey: "Counting The Squall"
Guy Garvey, Sänger der englischen Soft-Rock-Band Elbow, hat sich nach 25 Jahren Bandtätigkeit eine Auszeit verordnet und unter dem Titel "Counting The Squall" sein erstes Soloalbum veröffentlicht. Der musikalische Rahmen ist hier weitergefasst, als bei Elbow und man darf vermuten, dass Garvey darauf Songs umgesetzt hat, die im demokratischen Bandgefüge keine Chance hatten. Und so stehen Funk-inspirierte Titel neben düsteren Balladen und soulig, schwitzende Lieder neben Afro-Beat-infizierten Ideen. Elbow-Fans werden mit den zehn Songs des Albums dennoch keine Probleme haben, denn allzu weit weg vom gewohnt gefühligen Elbow-Kosmos ist die Platte nun auch wieder nicht.
El Vy: "Return To The Moon"
Anders als eine große Überraschung kann man das Album "Return To The Moon" des Duos El Vy nicht bezeichnen, denn Matt Berninger, Kopf der Gruppe The National hat sich für die Öffentlichkeit überraschend mit Brent Knopf, Mitglied der Indie-Rock-Bands Ramona Falls und Menomena zusammengetan, um Songideen und Skizzen umzusetzen, die er seit vielen Jahren auf einen geheimen Ordner seines Laptops sammelte. Die entstanden nach Konzerten mit seiner Band, wenn er sich alleine und ausgelaugt in einem Hotelzimmer die Nächte um die Ohren schlug. Nun wurden aus den unfertigen Skizzen, die sich die beiden Musiker über einen langen Zeitraum per Mail zugeschickt hatten, richtige Songs – ohne dass die beiden jemals zusammen in einem Studio gearbeitet hätten. Für Berninger sind die Texte auf dem Album die autobiografischsten, die er bislang nach eigener Aussage geschrieben hat. Er lässt erfundene Figuren, wie beispielsweise die Hauptpersonen des Albums Didi und Michael, ironische Geschichten erzählen, aber im Kern geht es wohl doch um seine eigenen Erfahrungen und Allerweltsgeschichten, die bei The National einfach keinen Raum fanden. Kurzweilige Musik, die hoffentlich eine ebenso hohe Halbwertzeit wie die von The National hat.