Das muss man gehört haben – oder auch nicht
Ryley Walker interpretiert ein unveröffentliches Album der Dave Matthews Band neu und zeigt Hingabe. Um Großstadtalltag und Depression geht es bei der Band ClickClickDecker, die den deutschen Pop retten. Vor dem Album der Mumford & Sons wird gewarnt.
Ryley Walker - The Lillywhite Sessions (Dead Oceans)
Unheimlich ist dieser Ryley Walker. Der 29-jährige Gitarrist und Bandleader hat erst im Mai ein Album rausgebracht. Heute kommt schon wieder was Neues: The Lillywhite Sessions. Darauf interpretiert Walker ein komplettes, aber nie offiziell veröffentlichtes Album der Dave Matthews Band neu.
Von Musikkritikern wird der Stadion-Pop-Rock der Dave Matthews Band meist belächelt. Aber die Formation ist vor allem in den Staaten extrem populär. Und auch bei Ryley Walker, der inzwischen weit über Indie-Kreise hinaus hoch geschätzt wird, hat sie offenbar Eindruck hinterlassen. Denn mit welcher Hingabe und Ernsthaftigkeit er und seine Band diese Songs in Jazz-gefärbten Post-Rock-Sound umsetzen, ist bemerkenswert. Selbst der sonst eher nachlässige Gesang klingt hier deutlich fokussierter.
Kenner der originalen Lillywhite Sessions können diese nun aus einer ungewohnten, aber spannenden Perspektive neu entdecken. Aber auch losgelöst vom Quellenmaterial erleben wir hier wieder mal einen unheimlich guten Ryley Walker.
ClickClickDecker - Am Arsch Der Kleinen Aufmerksamkeiten (Audiolith)
Während hin und wieder mal die Debatte über die Unzulänglichkeiten des Deutschpop aufflammt, machen Bands wie ClickClickDecker seit Jahren jenseits von - ums mit Böhmermann zu sagen - "seelenloser Kommerzkacke" unbeirrt ihr Ding. Dabei ist nicht nur der Titel des sechsten Albums der Hamburger ein Hinhörer: Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten.
Kevin Hamann, Frontmann und Mastermind von ClickClickDecker, singt Texte über Großstadtnostalgie, Beziehungsalltag und Depression. Mit seiner lyrischen Lupe untersucht er auch kleine, selbstverständliche Dinge und findet sinnliche Details. Mit ähnlicher Akribie wurden diese Songs gestaltet: mal reduziert, mal ausschweifend, mal akustisch, mal mit Indie-Schrammelgitarren und oft mit große Refrains. Das ist guter Pop - nur ein wenig anders.
Es wird immer berechtigte Gründe geben über deutschen Pop zu meckern. Dank Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten von ClickClickDecker dürfen wir auch seine guten Seiten würdigen.
Mumford & Sons - Delta (Universal)
In weniger als zehn Jahren haben sich Mumford & Sons zu einem der erfolgreichsten Pop-Acts der Welt entwickelt. Doch das vierte Album Delta ist eine Grenzerfahrung.
Beichte, Predigt, Reinforcement: Delta will alles zu gleich sein. Diese Dröhnung der Betulichkeit ist nur schwer auszuhalten. Wie der Besuch einer modernen Shopping Mall: bunte Lichter, schrille Anzeigetafeln, Gerüche, Musik und Sound, überall. Pure Reizüberflutung in einer Fake-Welt. Wer bei klarem Verstand ist, macht auf der Schwelle kehrt. Nur die Schwachen werden hineingesogen und erliegen den Verheißungen.
Die ehemalige Folk-Band Mumford & Sons ist zum Premium-Produkt der Pop-Maschinerie mutiert. Das Album Delta ist ein schleimiges Monster. Rette sich wer kann!