Hymnisch schöner Pop
Kanadische Volkslieder und Soulklassiker sind auf dem neuen Album "Home on Native Land" der Band "The Hidden Cameras" zu hören. Nugatweichen Soul gibts auf Myles Sankos "Just Being me": absolute Spitze! Und Ina Müller liefert auf "Ich bin die" - wie gewohnt - gefälligen Talkshow-Pop.
The Hidden Cameras: "Home on Native Land"
Joel Gibb ist ein Schlitzohr. Er ist der Mann hinter dieser Band "The Hidden Cameras". Seit 2001 spielen sie ihren süchtigen Indie-Pop. An der Oberfläche sind das immer zuckersüße, ausgefeilte und gereifte Songs. Ein genialer Pop, finde ich. Unten drunter steckte oft noch ein kleiner Schocker; in den Texten. Da beschrieb Joel Gibb manchmal sehr deftig und unverblümt Details des schwulen Sexlebens. Gay Church Folk nannten sie das immer.
Auf dem neuen "Hidden Cameras"-Album "Home on Native Land" hat Joel Gibb Songs versammelt, die in den letzten 20 Jahren nebenbei entstanden sind und die sich mit seiner Kindheit und seiner Heimat Kanada auseinandersetzen. Ein paar kanadische Volkslieder, Walzer und Soul-Klassiker sind auch darunter. Die werden aber nicht nur nachgespielt, sondern bekommen den typischen melancholischen "Hidden Cameras"-Pop übergestreift: hymnisch schön.
Myles Sanko: "Just Being me"
Das Tolle an der aktuellen Soulmusik ist: Obwohl man in den letzten Jahren schon gefühlt Dutzende neuer Sänger und Bands gehört hat, wird einem diese Musik nicht über. Und vor allem: Man entdeckt immer wieder aufregende neue Musiker. Den hier zum Beispiel: Myles Sanko, geboren in Ghana, lebt heute in Cambridge. Cremigen Souljazz gibt es auf seinem dritten Album "Just Being me".
Mit dem Albumtitel "Just Being me" möchte Myles Sanko konzeptionell tief blicken lassen. Man muss doch man selbst bleiben, um weiterzukommen im Leben, singt er da. Die etwas abgegriffene Selbsterkenntnis eines Erwachsenen - okay, geschenkt. Schwamm drüber.
Bleiben wir lieber bei der Musik. Referenzpunkte erkennt man schnell. Die großen Soulmusiker der Vergangenheit: Donny Hathaway, Bill Withers oder Bobby Womack. Noch ein bisschen jazziger eingerichtet.
Soul und Jazz mischen sich hier kongenial. Alles selbst komponiert, begleitet von einer coolen eingespielten Band und dann noch diese nugatweiche Stimme. Dafür gibt es von mir Bestnoten.
Ina Müller: "Ich bin die"
Ina Müller ist eine deutsche Sängerin, Musik-Kabarettistin, Fernsehmoderatorin und Buchautorin. So steht es bei Wikipedia. Für mich ist Ina Müller vor allem die schlimmste Konsens-Muckerin Deutschlands. Sie macht Musik für alle, die nicht viel von Popmusik verstehen, aber gern etwas mehr Ahnung hätten. Lieder vom Älterwerden, so mit Krankheiten, Beziehungsstreit und Bahnfahrten.
Was einen so beschäftigt, als fortgeschrittener Erwachsener. Gefälliger Talkshow-Pop einer ehemaligen Apotheken-Mitarbeiterin.
Ina Müller ging auch bei dieser Platte auf Nummer sicher. Der Musiker Johannes Oerding und die Deutsch-Pop Allzweckwaffe Frank Ramond schrieben ihr Musik und Texte, an denen handwerklich eigentlich nicht viel auszusetzen wäre, wenn es nicht so betulich und schmerzfrei klingen würde; so nach 90er. Gefühlig-nette Musik mit bisschen Tiefgang für alle ab 40. Wenn Sie mich fragen: der Tod des Pop.