Neue Alben

The Dandy Warhols: Pop mit Stinkefinger

Courtney Taylor-Taylor von der Band The Dandy Warhols
Courtney Taylor-Taylor von der Band The Dandy Warhols © imago/ZUMA Press
Von Jutta Petermann |
Ohrwurm-Melodien und Schrammel-Gitarren: Das neue Album "Distortland" der Dandy Warhols ist ironisch und cool. Weitere Neuerscheinungen gibt es von US-Musiker Ben Harper und dem früheren Retro-Soul-Star Mayer Hawthorne.

The Dandy Warhols: "Distortland"

Meist glaubt man ja Bands besser nicht, was sie selbst über ihre neue Musik sagen. Aber Courtney Taylor-Taylor, Sänger und Gitarrist der Dandy Warhols trifft es perfekt, wenn er das zehnte Studioalbum der Band "Distortland" folgendermaßen beschreibt: es sei organisiert wie ein Popalbum, aber der Klangmüll sei immer noch drin.
Meine Füße wippen beim Durchhören dieser US-amerikanischen Brit-Pop-Reminiszenz automatisch den Takt mit. Mein Kopf nickt parallel dazu, locker und entspannt wie bei einem Wackeldackel – feinste Ohrwurm-Melodien und Mitsummchöre gebrochen von Schrammel-Gitarren oder Elektrogedröhn.
Das Quartett aus Oregon verzerrt auf Distortland die Lieblichkeit angenehmerweise immer wieder, sonst hätte ich es nicht ausgehalten. So aber entsteht: Pop mit Stinkefinger. Ironisch und cool.

Ben Harper & The Innocent Criminals: "Call It What It Is"

Benenne es als das, was es ist - so lautet der Albumtitel von Ben Harpers 13. Studioalbum "Call It What It Is", diesmal wieder mit der Band The Innocent Criminals eingespielt. Es ist ein politisches Statement und bezieht sich auf jene Afroamerikaner, die in den USA durch Polizeikugeln sterben.
Man solle endlich sagen, dass das Morde sind, fordert Ben Harper mit dem Titelsong und Albumtitel. Die restlichen zehn Stücke sind eher Alltagsgeschichten und Zwischenmenschliches, stilistisch vielseitig intoniert von Rock und Blues über Folk und Reggae - eine beeindruckende Ansammlung großartiger Songs.
Stimmungsvoll, tiefgründig, mit spür- und hörbarer Lust und sehr viel Feingefühl gespielt. Jetzt bin ich natürlich aufgerufen "Call It What It Is" als das zu benennen, was es ist: ein wunderbarer Vorbote auf die Tour von Ben Harper und The Innocent Criminals im September.

Mayer Hawthorne: "Man About Town"

Mayer Hawthorne bleibt in der Spur mit seinem neuen Album "Man About Town". Der frühere Retro-Soul-Star will, wie schon auf dem Disko-Funk-Vorgänger "Tuxedo", in seinen Songs den unwiderstehlichen Flow der hedonistischen 70er- und 80er-Jahre-Partywelt erzeugen. Musik, die auf den Effekt abzielt, der aber nur entsteht, wenn die Musiker ihr Handwerk virtuos beherrschen.
Und da kann sich der 37-Jährige mit seinen großen Vorbildern von Le Chic, Nile Rodgers und Bernard Edwards, messen lassen und erinnert stellenweise noch an das keyboardlastige Rockduo Hall & Oates.
Hawthorne beweist auf "Man About Town" einmal mehr seine Genialität als Komponist seichter Klänge und als Instrumentalist. Nur, wirklich brillant ist das Ganze nur an der Oberfläche. Synthetisches Keyboard, perlende Harfenklänge, schwelgende Streicher, eine dezent dazwischen funkende Gitarre mit wohlgesetztem Bläserstakkato kontrastiert - allein der Bass setzt durchgehend coole Akzente.
Doch unter der schillernden Fassade ist nicht viel mehr als Badewannen-Fantasien mit der Liebsten und der Wunsch die Welt auszublenden - Worthülsen und Gefühlsschablonen noch und nöcher. Ein einzelner Song dieser Sorte geht auf jeder Party durch, auf Albumlänge hat mich das gelangweilt.