"Erinnerungskultur hat viel mit Integration zu tun"
Seit etwa drei Jahren steht in München das NS-Dokumentationszentrum auf dem Gelände der einstigen Parteizentrale der NSDAP. Gründungsdirektor Winfried Nerdinger ist nun im Ruhestand, seine Nachfolgerin Mirjam Zadoff will vor allem junge Leute erreichen.
"Da stellt sich die Frage immer wieder neu: Auf welche Weise macht man das?", sagt die neue Direktorin des NS-Dokumentationszentrums, Mirjam Zadoff. Wenn man zum Beispiel auf die USA schaue, dann sehe man ein Land, das sich intensiv mit seiner Vergangenheit auseinandersetze. Im Süden der USA sei vor kurzem ein Denkmal für die Opfer der Lynchjustiz errichtet worden. Entstanden sei dies unter anderem deswegen, weil der Initiator dieses Denkmals das Holocaust-Mahnmal in Berlin gesehen habe.
Erinnerungskultur im Dialog mit der Gegenwart
Zugleich werde in deutschen Debatten aber eine Wende in der Erinnerungskultur gefordert, denn es gebe hierzulande einen hausgemachten und eínen importierten Antisemitismus und wenn die aufeinanderträfen, sei das besonders schlimm. Erinnerungskultur müsse immer im Dialog mit der Gegenwart stehen, sagt Zadoff. Die Frage laute: "Akzeptieren wir Juden und Jüdinnen, so wie sie sind, in unserer Mitte? Gibt es Wissen über ihre Geschichte in Deutschland als zentrale Träger deutscher Kultur, als Vorbilder für Integrationsfragen?" Erinnerungskultur habe heutzutage sehr viel mit Integration zu tun.
Holocaust-Erinnerung als eines der letzten Tabus
Damit meine sie hauptsächlich Menschen, die hierhergekommen seien, Menschen mit Migrationshintergrund, von denen man sich wünsche, dass sie sich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzten. Gleichzeitig müsse man dann aber auch die Geschichte, die Einwanderer mitbringen, die Geschichte der Gastarbeiter, die Erinnerungen von Flüchtlingen in unsere Erinnerungskultur integrieren.
Die vom Auschwitz-Komitee ausgesprochene und von den Rappern Farid Bang und Kollegah angenommene Einladung, die Gedenkstätte zu besuchen, finde sie sehr interessant und sie sei sehr neugierig darauf zu sehen, was dabei herauskomme. "Holocaust-Erinnerung ist eines der letzten Tabus, und es ging ihnen natürlich darum genau diese Tabus zu berühren." Hier müsse man Wege eine produktiven Auseinandersetzung finden. Der erhobene Zeigefinger funktioniere da nicht mehr.
Nicht nur Jugendliche aus dem Bildungsbürgertum erreichen
"Das ist eine große Herausforderung und die müssen wir annehmen. Da sind natürlich auch die Eltern gefragt, da sind die Schulen gefragt, da sind Jugendeinrichtungen gefragt, dass wir nicht nur Jugendliche aus bildungsbürgerlichen Haushalten errreichen, sondern auch Jugendliche mit Migrationshintergrund oder Jugendliche, die möglicherweise beeinflusst werden könnten von einer rechtsradikalen Szene."