Sie haben ihre Zusammenarbeit mit dem Gremium verweigert und dessen Gründung als Versuch von Zensur dargestellt. In diesem Klima war vorhersehbar, dass die Ergebnisse der Fachkommission nicht wohlwollend entgegengenommen werden.
"Hinter der Naivität steckt eine klare Ideologie"
08:51 Minuten
Das Documenta-Kuratorenkollektiv Ruangrupa weigert sich, eine Filmreihe abzusetzen, die ein Expertengremium als klar antisemitisch eingestuft hat. Der Historiker Meron Mendel sieht bei dem Kollektiv keinen Willen zum Dialog.
Ein von den Documenta-Gesellschaftern berufener Expertenrat hat scharfe Kritik an einer Filmreihe des japanisch-palästinensischen Kollektivs „Subversive Film“ geübt und ihre Absetzung gefordert. Die dort gezeigten historischen pro-palästinensischen Propagandafilme würden nicht kritisch reflektiert, sondern als vermeintlich objektive Tatsachenberichte affirmiert. Die antisemitischen und antizionistischen Versatzstücke darin legitimierten Israelhass, glorifizierten den Terrorismus und hätten eine aufhetzende Wirkung, so das Gremium.
Während der Zentralrat der Juden die Forderung des Gremiums begrüßte, reagierte das Documenta-Kuratorenkollektiv Ruangrupa mit einer brüsken Zurückweisung und dem Vorwurf, das Gremium arbeite unwissenschaftlich und versuche, Zensur auszuüben.
Zusammenarbeit mit Expertengremium verweigert
Die Eskalation sei zu erwarten gewesen, sagt der Historiker Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. Schon die Berufung des Expertenrats sei vom Kuratorenkollektiv scharf kritisiert worden:
Das Kollektiv sei seiner anfangs geäußerten Absicht, dazulernen zu wollen, nicht nachgekommen, kritisiert Mendel. "Wir haben oft gesehen, dass hinter dieser an den Tag gelegten Naivität eine klare Ideologie steckt. Die Vorsitzende des Gremiums, Nicole Deitelhoff, hat schon vor fast zwei Wochen gesagt, dass die Arbeit der Kommission dadurch behindert wird, dass Ruangrupa Fakten schaffe. Das hinterlässt keinen schönen Eindruck über die Art und Weise, wie die Kuratoren mit Kritik umgehen und auch nicht über ihre Glaubhaftigkeit."
Wunsch nach Kontextualisierung
Der Interims-Geschäftsführer der Documenta, Alexander Farenholtz, hat die Veröffentlichung der Stellungnahme des Gremiums als voreilig bezeichnet und kritisiert, dass die Experten nicht zunächst intern mit Ruangrupa gesprochen haben. Das weist Mendel zurück:
"Diese Äußerung kann ich nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen. Er weiß ganz genau, dass Ruangrupa nicht interessiert war an einem Austausch mit dem Gremium. Diesem jetzt anzulasten, dass keine Kommunikation stattgefunden hat, finde ich nicht glaubwürdig."
Der Vorwurf der Kuratoren, dass das Gremium unwissenschaftlich arbeite, zu Rassismus tendiere und Zensur ausüben wolle, zeige lediglich, dass sie an keinem Dialog interessiert seien. Er selbst habe schon Ende Juni auf die umstrittenen Filme hingewiesen, sagt Mendel.
Alle Warnungen und mein Wunsch nach Kontextualisierung wurden abgelehnt. Es ist kein Zufall, dass diese Gewalt und Terrorismus verherrlichenden Filme ohne historische Einordnung gezeigt werden. Hier zeigt sich, wenn man so will, im Kleinen, was bei der Documenta alles seit Juni schiefläuft.
Die Lehren für die Zukunft der Kunstschau lägen auf dem Tisch, sagt Mendel:
"Seit Juni sehen wir ein Konzept der organisierten Verwahrlosung innerhalb eines ideologischen Rahmens. Man hat 46 Millionen Euro ausgegeben, ohne dass jemand Verantwortung für Inhalte und Qualität übernehmen will. Am Ende des Tages muss aber eine Person oder eine Gruppe die Verantwortung übernehmen, und Ruangrupa ist dazu nicht bereit. Bei der nächsten Documenta müssen die Verantwortlichkeiten von Anfang an klar sein."