"Neue Form der Agitation von Rechtsaußen"
Der Düsseldorfer Sozialwissenschaftler Alexander Häusler sieht in den Vereinigungen "pro Köln" und "pro NRW" einen neuen Vorstoß der extremen Rechten. Die beiden Organisationen wollten Rassismus im Gewand einer Bürgerbewegung unter die Leute bringen, sagte Häusler vor dem heute beginnenden "Anti-Islamisierungskongress" in Köln, der von beiden Vereinigungen veranstaltet wird.
Stephan Karkowsky: Weit vor dem Rechtsextremistenkongress in Köln hat der Düsseldorfer Sozialwissenschaftler Alexander Häusler die sogenannte Bürgerbewegung "pro Köln" und "pro NRW" in einer Studie untersucht und nun einen Sammelband vorgelegt mit dem Titel "Rechtspopulismus als Bürgerbewegung". Herr Häusler, Bürgerbewegung steht bei Ihnen in Anführungszeichen, weil sich dort keine harmlosen Bürger engagieren, sondern Rechtsextreme?
Alexander Häusler: So ist es. Es ist eine neue Form der Agitation von Rechtsaußen, nämlich der Versuch, den Rassismus im Gewand einer scheinbaren Bürgerbewegung unter die Leute zu bringen, wo versucht wird, als scheinbar lokale Bürgerinitiative aufzutreten und vermeintliche oder reale Konflikte um diese Themenfelder Multikulti, Islam, Islamismus und Moscheebau instrumentell zu kanalisieren.
Karkowsky: Das ist natürlich enorm geschickt von den Rechten. Normalerweise ist es ja so, alle brandmarken die Sorgen von Bürgern vor dem Fremden gleich als politisch inkorrekt. Die Einzigen, die das ernst nehmen, sind die Rechten, die müssen ihre Schäflein dann nur noch einsammeln. Gab es denn keine Aufklärungskampagnen, die die Ressentiments der Bürger zerstreuen konnten?
Häusler: Ich würde sagen, insgesamt ist da etwas spät drauf reagiert worden auf diesen Versuchen, sich in den Kommunen festzusetzen und dort zu agitieren. Ich habe das in erster Linie festgestellt im Rahmen der Arbeit am kommunalen Integrationskonzept in Oberhausen, wo plötzlich solche Flugblätter auftauchten und die Leute und meistens auch die kommunalen Akteure, auch in anderen Kommunen Nordrhein-Westfalens, gar nicht wussten, worum es sich eigentlich handelt. Das ist einfach eine ganz neue, perfide Strategie, dieses Themenfeld in der Art zu besetzen.
Karkowsky: Das heißt, sie wussten gar nicht, hinter "pro Köln" steckt wer, die NPD?
Häusler: Nein, nicht die NPD. Diese Bewegung entstammt und ist auch aktuell noch ganz eindeutig dem Lager der extremen Rechten zuzuordnen. Sie gibt sich nur ein scheinbar rechtspopulistisches Gewand. Sie versuchen also den Begriff des Rechtspopulismus, der bislang hier eher negativ konnotiert ist, positiv zu wenden, um sich selber vom Stigma des Rechtsextremismus zu befreien.
Karkowsky: Die sogenannte "pro-Köln-Bewegung" ist ja eigentlich eine Kontrabewegung gegen Türken, gegen den Islam und das in einem so offenen multikulturellen Umfeld, wie Köln es zu bieten hat. Sind denn die Rechten richtig stark dort oder kriegen sie nur unverhältnismäßig starke Aufmerksamkeit durch Interviews wie dieses?
Häusler: Man muss schon ganz eindeutig sagen, dass ihr Organisationsgrad in keinster Weise dem Organisationsgrad der Parteien entspricht im europäischen Ausland, mit denen sie sich jetzt auf einer Augenhöhe messen wollen. Das Perfide ist nicht ihre Struktur, die bislang, was ihres organisatorisches Ausmaß angeht, noch gering und teilweise auch als dilettantisch zu bezeichnen ist. Die eigentliche Gefährlichkeit liegt in der Strategie der Kulturalisierung des Rassismus über den Umweg der Besetzung des neuen Feindbilds Islam, also die Angst der Bürger vor Islam, vor Moscheebauten, vor politischem Islamismus zu instrumentalisieren, indem diese Fragen alle gleichgesetzt werden, der Islam als fremd, als scheinbare Ausländerreligion diffamiert wird und damit den Zuwanderern, alle Zuwanderer muslimischen Glaubens, unter Generalverdacht gestellt werden.
Karkowsky: Da hat diese Antiislambewegung ja durchaus prominente Vorbilder. Ralph Giordano etwa sprach als Holocaust-Überlebender von einer schleichenden Islamisierung. Henryk M. Broder ist jemand, der immer wieder den Islam verteufelt, wo er nur kann und die Religion in Zusammenhang stellt mit Terrorismus. Wo hört denn die gute Islamkritik auf, wo fängt die böse, die rechtspopulistische an?
Häusler: Um das ganz platt, deutlich auszusprechen, wo der Islam als Religion verknüpft wird, unsachgemäß pauschal, mit politischem Extremismus, der sich religiös verkleidet, und vor allen Dingen der Zuwanderungsfrage. Da, in dieser Verknüpfung, dieser Trias, dort liegt die Grenze, wo seriöse Kritik aufhört und Leute unsachgemäß unter Generalverdacht gestellt werden.
Karkowsky: Sie hören im Deutschlandradio Kultur den Sozialwissenschaftler Alexander Häusler von der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. Herr Häusler, heute startet er also, dieser sogenannte Anti-Islamisierung-Kongress und er wurde ja angekündigt als europäischer Kongress. Wer kommt denn da hin?
Häusler: Zunächst einmal muss deutlich gesagt werden, dass es hier sich mitnichten um einen Kongress handelt, sondern schlicht und einfach um ein rassistisches Wahlkampfspektakel. Ich erinnere daran, nächstes Jahr sind ja nicht nur Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen, sondern zugleich Europawahlen. Und das ist auch der Grund für dieses Zusammentreffen, wo also Vertreter der europäischen Rechtsaußenparteien dort hinkommen, um dieses Thema propagandistisch zu besetzen, weil das als ein zentrales Kampagnenthema von Rechtsaußen besetzt wird.
Karkowsky: Jean Le Pen hat ja abgesagt. Kommen denn andere, in Anführungszeichen, "prominente" europäische Rechtsextreme?
Häusler: Es besteht schon eine langjährige Zusammenarbeit und langjährige Kontakte dieser Pro-Bewegung und ihrer politischen Vorläufer zum rassistischen Vlaams Belang aus Belgien, zur FPÖ aus Österreich. Funktionäre und auch führende Funktionäre, parteiführende Funktionäre sind schon in der Vergangenheit wiederholt nach Köln gekommen, haben versucht, diese Bewegung mit zu unterstützen. Auch umgekehrt sind Funktionäre dieser Pro-Bewegung in Belgien und auch in Österreich bei Parteiversammlungen aufgetreten. Jetzt hierzu werden auch Vertreter der Lega Nord kommen, unter anderem der schon wegen rassistischer Aktivitäten verurteilte Funktionär (…) und andere Funktionäre aus diesem Umfeld werden dort hinkommen, um zu versuchen, dieses Themenfeld propagandistisch zu besetzen.
Karkowsky: Wie kann es denn überhaupt einen Zusammenschluss europäischer Nationalisten geben? Das funktioniert doch per Definition eigentlich gar nicht, Nationalisten und Europa?
Häusler: Na, das ist ein Irrglaube. Schon historisch, zurzeit des Nationalsozialismus und des europäischen Faschismus, gab es ja eine sogenannte faschistische Achse oder faschistische Internationale. Und aktuell wird eben probiert unter dem Slogan "Europa der Vaterländer", quasi eine Vernetzung im europäischen Rahmen zu betreiben, wo eben die einzelnen unterschiedlichen, nationalistischen Rechtsaußenparteien versuchen, sich über ein Netzwerk und auch eine Wiedereinrichtung einer Fraktion im Europaparlament, was es ja auch letztes Jahr schon gegeben hat von Anfang des Jahres 2007 bis Ende, bevor diese Fraktionierung geplatzt worden ist, diese Achse wieder neu beleben und unter populistischen Vorzeichen die eigene rassistische Ideologie quasi zu modernisieren. Und da bietet sich dieses Feindbild Islam eben genau an.
Karkowsky: Danke an Alexander Häusler vor dem sogenannten Anti-Islamisierung-Kongress heute in Köln. Der Düsseldorfer Sozialwissenschaftler hat gerade einen Sammelband herausgebracht mit dem Titel "Rechtspopulismus als Bürgerbewegung".
Alexander Häusler: So ist es. Es ist eine neue Form der Agitation von Rechtsaußen, nämlich der Versuch, den Rassismus im Gewand einer scheinbaren Bürgerbewegung unter die Leute zu bringen, wo versucht wird, als scheinbar lokale Bürgerinitiative aufzutreten und vermeintliche oder reale Konflikte um diese Themenfelder Multikulti, Islam, Islamismus und Moscheebau instrumentell zu kanalisieren.
Karkowsky: Das ist natürlich enorm geschickt von den Rechten. Normalerweise ist es ja so, alle brandmarken die Sorgen von Bürgern vor dem Fremden gleich als politisch inkorrekt. Die Einzigen, die das ernst nehmen, sind die Rechten, die müssen ihre Schäflein dann nur noch einsammeln. Gab es denn keine Aufklärungskampagnen, die die Ressentiments der Bürger zerstreuen konnten?
Häusler: Ich würde sagen, insgesamt ist da etwas spät drauf reagiert worden auf diesen Versuchen, sich in den Kommunen festzusetzen und dort zu agitieren. Ich habe das in erster Linie festgestellt im Rahmen der Arbeit am kommunalen Integrationskonzept in Oberhausen, wo plötzlich solche Flugblätter auftauchten und die Leute und meistens auch die kommunalen Akteure, auch in anderen Kommunen Nordrhein-Westfalens, gar nicht wussten, worum es sich eigentlich handelt. Das ist einfach eine ganz neue, perfide Strategie, dieses Themenfeld in der Art zu besetzen.
Karkowsky: Das heißt, sie wussten gar nicht, hinter "pro Köln" steckt wer, die NPD?
Häusler: Nein, nicht die NPD. Diese Bewegung entstammt und ist auch aktuell noch ganz eindeutig dem Lager der extremen Rechten zuzuordnen. Sie gibt sich nur ein scheinbar rechtspopulistisches Gewand. Sie versuchen also den Begriff des Rechtspopulismus, der bislang hier eher negativ konnotiert ist, positiv zu wenden, um sich selber vom Stigma des Rechtsextremismus zu befreien.
Karkowsky: Die sogenannte "pro-Köln-Bewegung" ist ja eigentlich eine Kontrabewegung gegen Türken, gegen den Islam und das in einem so offenen multikulturellen Umfeld, wie Köln es zu bieten hat. Sind denn die Rechten richtig stark dort oder kriegen sie nur unverhältnismäßig starke Aufmerksamkeit durch Interviews wie dieses?
Häusler: Man muss schon ganz eindeutig sagen, dass ihr Organisationsgrad in keinster Weise dem Organisationsgrad der Parteien entspricht im europäischen Ausland, mit denen sie sich jetzt auf einer Augenhöhe messen wollen. Das Perfide ist nicht ihre Struktur, die bislang, was ihres organisatorisches Ausmaß angeht, noch gering und teilweise auch als dilettantisch zu bezeichnen ist. Die eigentliche Gefährlichkeit liegt in der Strategie der Kulturalisierung des Rassismus über den Umweg der Besetzung des neuen Feindbilds Islam, also die Angst der Bürger vor Islam, vor Moscheebauten, vor politischem Islamismus zu instrumentalisieren, indem diese Fragen alle gleichgesetzt werden, der Islam als fremd, als scheinbare Ausländerreligion diffamiert wird und damit den Zuwanderern, alle Zuwanderer muslimischen Glaubens, unter Generalverdacht gestellt werden.
Karkowsky: Da hat diese Antiislambewegung ja durchaus prominente Vorbilder. Ralph Giordano etwa sprach als Holocaust-Überlebender von einer schleichenden Islamisierung. Henryk M. Broder ist jemand, der immer wieder den Islam verteufelt, wo er nur kann und die Religion in Zusammenhang stellt mit Terrorismus. Wo hört denn die gute Islamkritik auf, wo fängt die böse, die rechtspopulistische an?
Häusler: Um das ganz platt, deutlich auszusprechen, wo der Islam als Religion verknüpft wird, unsachgemäß pauschal, mit politischem Extremismus, der sich religiös verkleidet, und vor allen Dingen der Zuwanderungsfrage. Da, in dieser Verknüpfung, dieser Trias, dort liegt die Grenze, wo seriöse Kritik aufhört und Leute unsachgemäß unter Generalverdacht gestellt werden.
Karkowsky: Sie hören im Deutschlandradio Kultur den Sozialwissenschaftler Alexander Häusler von der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. Herr Häusler, heute startet er also, dieser sogenannte Anti-Islamisierung-Kongress und er wurde ja angekündigt als europäischer Kongress. Wer kommt denn da hin?
Häusler: Zunächst einmal muss deutlich gesagt werden, dass es hier sich mitnichten um einen Kongress handelt, sondern schlicht und einfach um ein rassistisches Wahlkampfspektakel. Ich erinnere daran, nächstes Jahr sind ja nicht nur Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen, sondern zugleich Europawahlen. Und das ist auch der Grund für dieses Zusammentreffen, wo also Vertreter der europäischen Rechtsaußenparteien dort hinkommen, um dieses Thema propagandistisch zu besetzen, weil das als ein zentrales Kampagnenthema von Rechtsaußen besetzt wird.
Karkowsky: Jean Le Pen hat ja abgesagt. Kommen denn andere, in Anführungszeichen, "prominente" europäische Rechtsextreme?
Häusler: Es besteht schon eine langjährige Zusammenarbeit und langjährige Kontakte dieser Pro-Bewegung und ihrer politischen Vorläufer zum rassistischen Vlaams Belang aus Belgien, zur FPÖ aus Österreich. Funktionäre und auch führende Funktionäre, parteiführende Funktionäre sind schon in der Vergangenheit wiederholt nach Köln gekommen, haben versucht, diese Bewegung mit zu unterstützen. Auch umgekehrt sind Funktionäre dieser Pro-Bewegung in Belgien und auch in Österreich bei Parteiversammlungen aufgetreten. Jetzt hierzu werden auch Vertreter der Lega Nord kommen, unter anderem der schon wegen rassistischer Aktivitäten verurteilte Funktionär (…) und andere Funktionäre aus diesem Umfeld werden dort hinkommen, um zu versuchen, dieses Themenfeld propagandistisch zu besetzen.
Karkowsky: Wie kann es denn überhaupt einen Zusammenschluss europäischer Nationalisten geben? Das funktioniert doch per Definition eigentlich gar nicht, Nationalisten und Europa?
Häusler: Na, das ist ein Irrglaube. Schon historisch, zurzeit des Nationalsozialismus und des europäischen Faschismus, gab es ja eine sogenannte faschistische Achse oder faschistische Internationale. Und aktuell wird eben probiert unter dem Slogan "Europa der Vaterländer", quasi eine Vernetzung im europäischen Rahmen zu betreiben, wo eben die einzelnen unterschiedlichen, nationalistischen Rechtsaußenparteien versuchen, sich über ein Netzwerk und auch eine Wiedereinrichtung einer Fraktion im Europaparlament, was es ja auch letztes Jahr schon gegeben hat von Anfang des Jahres 2007 bis Ende, bevor diese Fraktionierung geplatzt worden ist, diese Achse wieder neu beleben und unter populistischen Vorzeichen die eigene rassistische Ideologie quasi zu modernisieren. Und da bietet sich dieses Feindbild Islam eben genau an.
Karkowsky: Danke an Alexander Häusler vor dem sogenannten Anti-Islamisierung-Kongress heute in Köln. Der Düsseldorfer Sozialwissenschaftler hat gerade einen Sammelband herausgebracht mit dem Titel "Rechtspopulismus als Bürgerbewegung".