Was Spieler gegen die Gamifizierung des Terrors tun können
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Attentäter, die Morde auf Gaming-Plattformen streamen und Opferzahlen als Highscore zählen, zeigen: Die Computerspielszene hat ein Rechtsterrorismus-Problem. Höchste Zeit, dass sich die friedliche Mehrheit öffentlich positioniert, sagt Christian Schiffer.
Der Mann, der gestern in Halle eine Synagoge angriff und zwei Menschen erschoss, streamte seine Tat live im Internet. Die an einen Helm montierte Kamera vermittelte dabei teilweise den Eindruck der Optik eines Computerspiels. Eine Perspektive, aus der auch der rechtsextreme Attentäter von Christchurch seine Tat filmte. Bei seinem Angriff auf eine Moschee starben 51 Menschen. Dass die Ego-Shooter-Perspektive gewählt werde, sei kein Zufall, sagt Christian Schiffer, Chefredakteur des Magazins für Games-Kultur WASD. Sie zeige vielmehr, dass die Computerspiele-Kultur ein Problem mit Rechtsextremismus habe. Gleichzeitig dürfe man bei diesem Thema aber auch nicht pauschalisieren:
"Wenn wir uns diese Taten anschauen, sind Computerspiele zwar als Referenz mit dabei, aber immer auch als Teil eines viel größeren Patchworks an popkulturellen Referenzen. Da geht es dann etwa um Memes und um Anime-Kultur. Was aber stimmt ist, dass Computerspiele als Rekrutierungswerkzeug für eine rechtsextreme Szene nicht uninteressant sind, weil sei von vielen jungen Männern gespielt werden." Auf einschlägigen Spieleplattformen wie Steam werde versucht, Spieler für rechte Ideologien zu gewinnen. Wie groß das Problem tatsächlich ist, sei jedoch schwer zu sagen, so Schiffer. "Meistens hat man es mit Scheinriesen zu tun, die kleiner sind, als sie tun."
Gamifizierung des Terrors
Für den Prozess der Radikalisierung seien hingegen Plattformen zum Austausch von Bildern wie "4Chan" und "8Chan" viel entscheidender. "Mann kann die Bedeutung von diesen Plattformen für die Radikalisierung, insbesondere von jungen Männern, kaum überschätzen. Das sind regelrechte Radikalisierungsbeschleuniger", sagt Schiffer.
Neben der Inszenierung habe sich auch die "Gamifizierung des Terrors" verändert. Schiffer: "Dass gezählt wird, wie viele Opfer dieser Terrorist denn nun schon 'geschafft' hat. Das erinnert an einen Gamer-Highscore. Und das ist das, was diesen Terrorismus so neu und besonders macht. Der Rechtsterrorist von heute spricht perfekt Englisch, er kennt sich aus in der Manga- und Computerspiele-Kultur und er ist Teil dieser globalen Chan-Subkultur – die global ist, obwohl man die Globalisten eigentlich total verabscheut."
Klares Signal an die Community senden
Dass die Ästhetik von Computerspielen von Attentätern missbraucht werde, führe nicht dazu, dass man sich als Spieler von solchen Taten distanzieren müsse, meint Schiffer. Denn in der Regel habe man mit solchen Leuten nichts zu tun. Aber Schiffer betont auch: "Man muss sich nicht distanzieren – aber man kann sich distanzieren. So wie man sich als Deutscher von Neonazis distanzieren kann, obwohl man mit denen meist nicht mehr teilt als die Staatsbürgerschaft. Trotzdem tut man es, weil es wichtig ist, sich zu positionieren. Wer sich distanziert, sendet ein klares Signal an die eigene Community, dass man so etwas nicht duldet."
Schiffer sieht hier Parallelen zur Fan-Kultur im Fußball. Dort habe sich das Problem mit rechtem Gedankengut in den Fankurven auch deshalb verbessert, weil die Fans selbst darauf bestanden hätten, so etwas nicht im Stadion sehen zu wollen. "Ich glaube, es würde der Computerspiel-Kultur gut tun, zu sagen: In den virtuellen Kurven wollen wir das auch nicht sehen", so Schiffer.
(rod)