Neue Harfenklänge

Hitverdächtig und seelenvoll

Eine Frau spielt auf einer Harfe.
Die Harfe ist eines der ältesten Instrumente der Welt – schon vor 5000 Jahren wurde sie gezupft. Als Solo-Instrument erlebt sie eine Renaissance - auch dank Xavier de Maistre und Anneleen Lenaerts. © Imago / McPhoto
Von Mascha Drost |
Vor ein paar Jahren fing der Franzose Xavier de Maistre an, die Harfe als Soloinstrument bekannter zu machen. Jetzt setzt sich auch seine Nachfolgerin bei den Wiener Philharmonikern in die Spur, die Belgierin Anneleen Lenaerts. Von beiden Musikern gibt es neue Alben.
Eigentlich hat Joaquin Rodrigo dieses Konzert für nur sechs Saiten komponiert – hier sind es fast 50. Sein berühmtes Concierto de Aranjuez für Gitarre weckte Begehrlichkeiten, und da dem Komponisten ohnehin ein imaginäres Instrument vorschwebte, dass die Schwingen einer Harfe, das Herz eines Flügels und die Seele einer Gitarre besitzt, verlieh er dem Konzert großartige Harfenschwingen, ohne jedoch auf Herz und Seele verzichten zu müssen.
Was diese Version an Schärfe und Rassigkeit vielleicht vermissen lässt, macht sie durch Anmut und Schwung wieder wett. Vor allem im zweiten Satz, diesem fast schon hitverdächtigen Adagio, ist der weitausschwingende, nachhallende Klang der Harfe dem Original sogar überlegen. Anneleen Lenaerts und die Brüsseler Philharmoniker unter Michel Tabachnik kosten die rätselhaft-zauberische Stimmung dieses Satzes, seine meditative Ruhe aus, ohne in die Nähe von Kitsch zu geraten.
So satt die Farben dieses Konzerts auch schillern, grell oder aufdringlich wird es an keiner Stelle – das gilt ebenso für die zwei anderen Konzerte dieser CD.
Anneleen Lenaerts hat hier drei Werke zusammengeführt, die im Abstand weniger Jahre zueinander komponiert wurden, und doch gegensätzlicher nicht sein könnten. Nur ein Jahr vor Rodrigos Werk entstand das Harfenkonzert von Reinhold Glière, 1938 – doch wenn die folkloristischen Klänge Spaniens dem Concerto Aranjuez etwas zeitloses, schwer einzuordnendes verleihen, so fühlt man sich beim Hören von Glière zurückversetzt in die Zeit der russischen Romantik – Tschaikowski und Co. lassen auffällig grüßen.
Hier ist alles melodiös bis zur Süffigkeit, die russische Seele breitet ihre Schwingen aus und die Harfe hilft ihr mit weit ausholenden Arpeggien, üppigen Akkorden und allen erdenklichen Effekten mehr. In puncto Sentiment kann es dieses Konzert ohne weiteres mit einem Klavierkonzert von Rachmaninoff aufnehmen – wenn auch nicht mit dessen Klanggewalt. Dieses Spätwerk, so sehr es auch aus der Zeit herausgefallen sein mag, ist ein überaus reizvolles Stück Konzertliteratur, das Anneleen Lenaerts und die Brüsseler Philharmoniker mit viel Gespür für Dramatik – und auch Melodramatik – und dennoch angenehm unaufgeregt darbieten. Musik, die es zu entdecken, und eine Künstlerin, deren Karriere es zu verfolgen gilt – zwei Dinge, die man von der zweiten aktuellen CD mit Harfenmusik nicht behaupten kann: Da hat sich Xavier de Maistre, ECHO-Preisträger und wohl bekanntester Harfenist weltweit, an große romantischen Orchesterwerke gewagt: Ganz allein allerdings.
Sehr apart plätschert die Moldau da anfangs vor sich hin, auch wenn es dem Strom in dieser Version später ein wenig an der Majestät der Orchesterfassung mangelt.
Zwiespältig ist nicht nur der Eindruck dieser Transkription, sondern der CD an sich, den bei weitem nicht jedes Stück lässt sich widerspruchslos und ohne ästhetische Einbußen adaptieren – während Tschaikowskis Zuckerfee aus dem "Nussknacker" ohne jede Anstalten ihre Pirouetten auf den fast 50 Saiten drehen kann, gilt das Gegenteil für den Tanz der Ritter aus Prokofievs "Romeo und Julia": Die Ritter, die sich hier vorstellen, klingen, als kämen sei direkt aus der Spielzeugkiste.
Musik: Prokofiev

Harp Concertos
Glière - Jongen - Rodrigo
Anneleen Lenaerts, Harfe
Brussels Philharmonic
Leitung: Michel Tabachnik
Label: Warner Classics

Xavier de Maistre: Moldau. The romantic solo album
Label: Sony

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