Neue Hühnerställe statt Antibiotika

Von Udo Pollmer |
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat Keime auf Hähnchen entdeckt, einige davon mit Resistenzgenen. Offenbar bekommen die Tiere zu viele Antibiotika. Deren Einsatz könnte man mit neuen Hygiene-Ställen vermindern, meint Udo Pollmer.
Preisfrage: Was würde passieren, wenn die Antibiotika endlich aus der Tierhaltung verschwinden? Das gleiche wie in freier Wildbahn. Die Tiere des Waldes haben auch keine. Dort ist die Sterblichkeit - vor allem der Jungtiere - sehr hoch. In der Nutzviehhaltung bedeuten weniger Antibiotika deshalb nicht gesündere Tiere sondern oftmals höhere Verluste. Bei Haltungsformen, bei denen mehr fürs Fleisch bezahlt wird, werden durch den Preis nicht selten die Verluste durch verendete Tiere kompensiert. Auch so lässt sich der Einsatz von Antibiotika publikumswirksam vermindern.

Wäre die Freilandhaltung nicht eine Alternative? Ein klares Jein! Ob 10.000 Hühner im Stall oder im Freiland gehalten werden, vermindert den Infektionsdruck nur begrenzt. Schon allein deshalb, weil die Hühner am Abend allesamt wieder in den Stall gehen. Was aber viel wichtiger ist: Im Freiland brauchen die Tiere entsprechend mehr Antiparasitika. Doch über diesen wunden Punkt der Biohaltung schweigen sich alle Beteiligten gerne aus. Damit ist also auch nichts gewonnen.

Wie steht es mit Impfungen? Natürlich wird in der Tierhaltung geimpft. Aber bedenken Sie bitte, auch diese haben so ihre Schattenseiten. Da Impfstoffe allerlei Zusätze wie zum Beispiel Wirkverstärker enthalten, gelangen auf diesem Wege fragwürdige Substanzen ins Fleisch, die durchaus Rückstände hinterlassen können. Das ist also ein Nullsummenspiel.

Muss deshalb ein Verbraucher, der keine Antibiotika speisen will, auf Fleisch verzichten? Das scheint die fragliche Studie des BUND nahezulegen. Irrtum. Es wurden gar keine Antibiotika gefunden - denn das haben die gar nicht untersucht. Und warum nicht? Weil man im Geflügel fast nie etwas findet. Das war übrigens nicht immer so, vor einigen Jahrzehnten waren Arzneimittel-Rückstände im Fleisch noch weit verbreitet, manchmal sogar in gesundheitlich bedenklichen Mengen. Heute werden weitaus weniger Arzneimittel eingesetzt und dafür mit etwas mehr Sinn und Verstand. Es mag sein, dass dies nicht aus eigener Einsicht geschah, sondern durch rechtliche Zwänge. Aber nur das Ergebnis zählt.

Natürlich verschwinden Antibiotika nicht einfach vom Erdboden. Die meisten sind zwar ein paar Tage nach Absetzen nicht mehr im Tier oder Menschen vorhanden - aber in deren Ausscheidungen. Und die Ausscheidungen des Nutzviehs werden als Dünger genutzt. Deshalb lassen sich noch Monate später auf Getreide Antibiotikaspuren nachweisen. Wer also ganz auf Antibiotika verzichten will, mag sein Hähnchen weiter essen - aber bitte Vorsicht beim Müsli. So ist das mit ökologischen Kreisläufen.

Also gibt es doch noch Handlungsbedarf. Derzeit werden skandinavische Modelle zur Kontrolle von Antibiotika in der Nutzviehhaltung favorisiert. Ich bin da skeptisch - denn diese vorbildlichen Länder setzen mehr Antibiotika in ihren Ställen ein, als die deutschen Landwirte. Was aber helfen würde, das sind neue Ställe. Denn neue Ställe sind heute explizit auf Hygiene ausgelegt - und damit senkt man den Arzneimitteleinsatz sehr effektiv. Doch der Bau neuer Ställe wird vor allem von fundamentalistischen Tierschützern gegen jede Vernunft bekämpft.

Punkt zwei betrifft die Schmusetiere. Denn Hund, Katze und Hamster werden mit den gleichen Antibiotika behandelt wie Menschen. Die resistenten Keime gelangen beim Küsschen aufs Schnäuzelchen vom Tier auf den Menschen. Diese Keime haben die gleichen Resistenzmuster, wie jene Keime, die in deutschen Krankenhäusern für die Todesfälle durch resistente MRSA verantwortlich sind.

Deshalb müssen Antibiotika für Tiere mit Familienanschluss endlich den gleichen restriktiven Regelungen unterworfen werden wie Antibiotika für Hühner, Schweine und Rinder. Doch da traut sich keiner ran. Denn Hund und Katz sind den Deutschen heilig. Mahlzeit!

Literatur
Birkel K: Analyse von Fleischproben auf MRSA und ESBL-produzierende Keime - Fragen und Antworten. BUND, Berlin 2012
Harlizius J: Reistenzbildung durch Antibiotika? LZ Rheinland 2012; H.1: 15-16
BfR: Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe in Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs.
Stellungnahme Nr. 051 vom 2. November 2011
Freitag M: Screening zum Antibiotika-Transfer aus dem Boden in Getreide in Regionen Nordrhein-Westfalens mit großen Viehbeständen. Journal für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 2008; 3: 174-184
Lissner E: Wurstologia. Schaefer; Frankfurt/F 1929