Schön und mysteriös
Was tut sich im Jazz? Unser Überblick - mit neuen Alben von Shai Maestro, Holly Cole und Fabiana Striffler.
Holly Cole - "Holly"
"Your mind is on vacation" – der Pianist und Sänger Mose Allison hat dieses Stück erstmals 1976 eingespielt, Holly Cole interpretiert es mit der gleichen lässigen Nonchalance, aber noch etwas funkiger und verruchter. Seit 30 Jahren gilt die kanadische Sängerin als begnadete Interpretin von Jazz und Popsongs. Sie scheut sich nicht davor, sattsam bekannte Nummern noch einmal neu aufzunehmen und es gelingt ihr dabei erstaunlich oft, den Hörer zu überraschen. Nicht etwa, weil sie die Stücke stark verändert oder sie technisch virtuos darbietet, vielmehr kitzelt sie den Kern der Songs mit leiser Hingabe und manchmal auch mit feiner Ironie heraus.
"Holly" heißt das neue Album von Holly Cole – keine Überraschung, aber wie immer ein Genuss für Jene, die sich an Songs von Gershwin, Ellington und co. erfreuen können – dargeboten in einem schlichten, aber maßgeschneiderten akustischem Gewand.
Fabiana Striffler - "Sweet and so solitary"
Fabiana Striffler ist eine klassisch ausgebildete Geigerin, die mit ihrer Einspielung "Sweet and so solitary" das Kunstlied neu belebt. Zur Seite stehen ihr dabei die Sängerin Friederike Merz und der Pianist Johannes von Ballestrem. Gemeinsam ist allen dreien, dass sie Genregrenzen spielerisch überwinden. Striffler tut das unter anderem im Berliner Andromeda Mega Express Orchestra, mit New Yorker Jazzavantgardisten oder der Afrobeat Formation Polyversal Souls. In der Musik ihres Trios lassen sich Klangexperimente finden, bei denen auch Synthesizer und Keramikschalen zum Einsatz kommen. Vor allem aber spielt die Stimme eine wichtige Rolle, mit und ohne Text.
'Eigensinn' so der passende Titel dieser Komposition. Eigensinnig ist das gesamte Album von Fabiana Striffler, manchmal auch fordernd und störrisch. Eine klassische Klangsprache steht dabei im Vordergrund, wird aber immer wieder gebrochen und bereichert durch folkloristische Elemente und frei improvisierte Passagen. Nicht zuletzt räumt das Trio der Poesie einen gebührenden Raum ein, mit eigenen Texten, aber auch mit Gedichten von Kierkegaard und anderen. "Sweeet and so solitary" – ein ungewöhnliches Album, dem manchmal ein wenig Weichheit fehlt.
Shai Maestro - "The Dream Thief"
Die Jazzgeschichte ist reich an ausgezeichneten Trioformationen mit Klavier, Bass und Schlagzeug. Eine schier unerschöpfliche Kombination, wie es scheint, denn immer wieder folgen junge Musiker ihrer Inspiration und gewinnen der Besetzung neue Aspekte ab. Die liegen gleichwohl meist im subtilen, fast unhörbaren Raum. Bei Shai Maestro etwa sind es die Unisono-Passagen von Bass und Klavier, die aufhorchen lassen.
Shai Meastro ist ein israelischer Pianist, der sich vor einigen Jahren in New York niedergelassen hat, bekannt geworden ist er an der Seite von Avishai Cohen. Inzwischen aber konzentriert sich Maestro, gleichermaßen in Klassik und Jazz ausgebildet, auf sein Trio. In Jorge Roeder aus Peru und Ofri Nehemya aus Israel hat er kongeniale Mitspieler gefunden, die sein mal verträumt-beruhigendes, mal irisierend-nervöses Spiel unterstützen und bereichern. "The Dream Thief" ist das erste Album in dieser Formation und der Titel ist Programm. "Der Traum-Dieb" überzeugt mit Klängen zwischen Wachen und Schlafen, die einen wie ein dunkler Fluss durch Zeit und Raum tragen, schön und zuweilen mysteriös.