Neue Jobs mit Staatsknete
Deutschland diskutiert über das Für und Wider verschiedener Kombilohn-Modelle, die schwarz-gelbe Landesregierung in Sachsen-Anhalt probiert eines längst aus. Seit Anfang 2005 erhalten Arbeitnehmer, die niedrig bezahlte Jobs annehmen, staatliche Zuschüsse. Mehr als 1000 neue Jobs sind so schon entstanden. Sachsen-Anhalt hatte 2005 zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern bundesweit die höchste Arbeitslosenquote. Kombilöhne könnten ein Ausweg aus der Misere sein.
Der Unternehmer Ernst Rasch braucht immer viele kräftige Leute, die zupacken können. Bauschutt sortieren, Baustellen entrümpeln, Schnee kehren. Reinigung und Dienstleistung sind sein Metier. In den ersten zehn Jahren nach der Wende macht die Firma gute Geschäfte. Aus dem Zwei-Mann-Unternehmen wird schnell ein mittelständischer Betrieb mit fast hundert Mitarbeitern. Doch seit fünf Jahren stagnieren die Zahlen. Der Gewinn hat sich halbiert, aber das Auftragsbuch ist voll. In den Stoßzeiten könnte die Firma zusätzliche Arbeitskräfte gut gebrauchen. Aber der vorsichtige Geschäftsmann möchte auch in schlechten Zeiten niemanden entlassen. Als er vom "Einstiegsgeld" hört, ist er schnell überzeugt.
"Muss ich ehrlich sagen im ersten Moment natürlich als Unternehmer, dass ich Geld spare. Wir haben aber die feste Absicht, diese Leute, wenn sie einigermaßen zu uns passen, zu behalten, wenn es nichts mehr vom Arbeitsamt dazu gibt. Wir wollen die dann übernehmen und es sind ja auch zusätzlich geschaffene Arbeitsplätze."
Ernst Rasch unterschreibt sieben neue Arbeitsverträge. Jede Unterschrift ist für ihn bares Geld, 500 Euro weniger Unkosten pro Monat. Der Arbeitnehmer bekommt trotzdem den branchenüblichen Bruttolohn von etwa 1200 Euro. Ernst Rasch steht hinter seinen Mitarbeitern.
"Wer das ganze Jahr für uns gearbeitet hat und den dann im Herbst, wenn die Arbeit ein bisschen weniger wird, nach Hause schicken, das ist ein unangenehmes Gefühl, das macht keiner gerne. Wir versuchen das wirklich, dass wir jeden behalten können, entweder mit Überstunden oder mit Winterdienst, dann bleiben die Leute bei uns vom Januar bis Dezember."
Er kümmert sich, kennt jeden beim Namen, weiß um die Familienverhältnisse. Dafür erwartet er, dass sie da sind, wenn er sie braucht. Zur Not auch nachts. Da muss dringend ein Container umgesetzt, ein voll gelaufener Keller ausgepumpt werden. Mit gutem Kundenservice ist die Firma im Gewerbegebiet am Stadtrand von Magdeburg groß geworden. Die neuen Arbeitskräfte erleichtern das schwierige Saisongeschäft. Weniger Überstunden für die einen, ein vollwertiger Arbeitsplatz für die anderen, auch im Winter.
"Die Arbeiten brechen abrupt ab. Die Baufirmen, das kommt auch auf die Witterungsverhältnisse an, bestellen bei uns keine Container mehr. Dann haben wir die Leute hier und wir können ja nicht zwanzig Mann den Hof fegen lassen. Das haben wir früher durch Mehrarbeit abgedeckt und jetzt kriegen wir das schon so hin, die Mehrarbeit fällt weg. Es werden nicht mehr so viele Überstunden gemacht und dadurch haben wir die neuen Arbeitsplätze geschaffen."
Einstiegsgeld kann für Langzeitarbeitslose neue Perspektiven schaffen. In Sachsen-Anhalt zeigt sich: Das klassische Kombilohn-Modell kann zwar keine Wunder vollbringen, aber doch die eine oder andere neue Arbeitsstelle schaffen. Reiner Haseloff, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium steht für die Logistik im Hintergrund.
"Wer denkt, dass über einen Kombilohn-Modell oder ähnliche Modelle, Jobs in einer Größenordnung von mehreren Millionen schnell zu schaffen sind, der irrt."
Trotzdem möchte er auf das Kombilohn-Modell "Einstiegsgeld" nicht verzichten. Ist es doch in acht Monaten gelungen, für 1500 Langzeitarbeitslose, bereits bestehende Arbeitsplätze zu erhalten oder neue zu schaffen. CDU-Mann Reiner Haseloff hat unter einer neuen schwarz-roten Landesregierung die besten Aussichten auf das Amt des Wirtschaftsministers. Er will bei der Bundesregierung dafür werben, dass die bisherige Laufzeit für das Einstiegsgeld entweder wegfällt oder wenigstens verlängert wird. Bei diesem Kombilohn-Modell profitieren beide, Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dieser zahlt für einfache Arbeiten einen Bruttostundenlohn von vier bis sechs Euro. Für den Arbeitnehmer lohnt es sich trotzdem, arbeiten zu gehen. Er bekommt sein Arbeitslosengeld II und einen Zuschuss.
"Es kann durchaus sein, dass in der Wirtschaft Löhne zustande kommen, die nicht ausreichen, um eine mehrköpfige Familie zu ernähren. Damit der Staat nicht den Effekt hat, dass es günstiger ist zuhause zu bleiben, gibt er diesen Zuschuss auf die Bedarfsgemeinschaft und sichert damit den Anreiz, dass man in diesem Arbeitsverhältnis bleibt."
Für ihn liegt der Vorteil auf der Hand: Durch Einstiegsgeld entstandene oder geförderte Arbeitsplätze sind sozialversicherungspflichtig.
"Im Unterschied zu allen anderen Modellversuchen ist der Kombilohn dadurch gekennzeichnet, dass die staatliche Leistung ausschließlich dem Arbeitnehmer zukommt. Im Bereich des Arbeitgebers ist kein Finanztransfer vorgesehen. Der vereinbart nach den ganz normalen Findungsgeboten des Marktes den Lohn, das Arbeitsentgeld."
Im Auftrag der Landesregierung erstellen Mitarbeiter vom Bildungswerk der Wirtschaft die Arbeitsverträge für das Einstiegsgeld. Sie beraten und knüpfen die Kontakte. So präsentieren sich bei der Firma Rasch Reinigung in Magdeburg genau die richtigen Hartz-IV-Empfänger. Kräftige Männer, die gerne hart arbeiten.
An den langen Seiten einer rechteckigen Halle lagern meterhohe Abfallberge. Bauschutt, Holz, Metall, Papier, ein Haufen liegt neben dem anderen. In scheinbar chaotischem Durcheinander fahren orangefarbene Containerwagen kreuz und quer durch die Halle.
"Die Fremdfirmen, die hier rein kommen in die Halle, die dürfen sofort auskippen. Dann wird eine grobe Vorsortierung von Hand und mit dem Radlader gemacht. Der Radlader zieht das breit und dann wird sortiert. Holz, Papier, alles kommt in einen extra Container. Bauschutt wird aufgeladen und zur Recycling Anlage gebracht."
Wenn der Schutt abgekippt, auf dem Boden verteilt ist, sind die Sortierer dran. Mit gebeugtem Rücken und geschultem Blick greifen sie nach Holz, Metall und Plastik, werfen alles in einen Extra Container.
Thomas Truhe ist 44, gelernter Dreher und Trockenbauer. Zehn Jahre lang ist er seiner Arbeit hinterher gefahren. Eine Leihfirma hat ihn von einem Kunden zum nächsten, von einer Baustelle zur anderen geschickt.
"Meinetwegen Kasseler Berge oder Würzburg. Wohnwagen hinten an den PKW drangehängt und los, ham se im Wohnwagen gelebt, sind dann alle zwei Wochen oder am Wochenende mal nach hause. Von der Leihfirma ab und zu mal ein Zimmer gestellt, aber sonst habe ich den Wohnwagen mitgenommen."
Eines Tages hatte die Leihfirma keine Aufträge mehr. Seitdem steht in der Kartei der Arbeitsagentur der Name Thomas Truhe in der Rubrik der Hartz-IV-Empfänger. Das ist die Voraussetzung für das Einstiegsgeld. Doch davon weiß Thomas Truhe nichts. Er schiebt die mit weißem Steinstaub bemehlte Schiebermütze zurück, senkt den Kopf.
"Weil ich sowieso die Faxen dicke hatte mit Rumfahren und so und auch gesundheitlich. Durch Hörensagen bin ich dann hier gelandet."
Vor drei Wochen war sein erster Arbeitstag. Thomas Truhe schüttelt den Kopf. Was er genau verdient weiß er nicht, nur, dass es mehr ist als Hartz IV.
"Die lassen sich ja immer gewaltig viel Zeit. Abgegeben ist alles, aber wann ich Bescheid kriege und ob und wie viel, keine Ahnung."
Der Chef steht neben ihm. Ernst Rasch wundert sich und erklärt.
"Wir haben Mitarbeiter, die schon länger bei uns beschäftigt sind. Aber Gottes Mühlen mahlen langsam, das Geld bekommt ihr. Und ich kenne nur die 720 brutto, die sie das erste Jahr von uns bekommen. Ich kann sagen, dass sie dann einen Änderungsvertrag von uns bekommen und dass das Geld dann bei zwölf bis dreizehn hundert liegen wird. Mit dem kann man leben."
Nach einem Jahr Einstiegsgeld will er mit dem Chef einen neuen Arbeitsvertrag aushandeln. Dann will die Firma Rasch selbst den vollen Lohn bezahlen. Thomas Truhe grinst zufrieden, geht zurück zu den anderen, Schutt sortieren. Unternehmer Ernst Rasch hätte sich auch die Arbeitskraft von Klaus Orschmann nicht leisten können. Ohne Einstiegsgeld würde der gelernte Fliesenleger arbeitslos zuhause sitzen.
"Ich finde das gut, weil ich von dem anderen Geld, das ich hier kriege nicht leben könnte. Nicht, sage ich, offen und ehrlich. Mehr kann ich dazu nicht sagen und wenn das Geld später nicht da ist, weiß ich nicht, was ich machen sollte. Müsste ich auf die Straße ziehen, weil ich die Miete nicht bezahlen könnte. Ich habe 570 netto ausgezahlt plus 160 Einstiegsgeld, rundgerechnet."
Auch er arbeitet gerne.
"Ja, die Arbeit macht Spaß, ist dreckig, aber was soll's. Sortierarbeiten, Papier, Pappe, Folien, Schrott und so, das wird alles getrennt und dann kommt ein Radlader und bringt es dahin, wo es hin soll. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
Von Ferne sieht es aus wie ein großer schwarz-gelb gestreifter Legowürfel. Das Firmengebäude in einem Gewerbegebiet nördlich von Magdeburg ist fast neu. Geschäftsmann Holger Pitsch kennt sich aus in der Nahrungsmittelindustrie. Nun hat er sich einen Lebenstraum erfüllt, die eigene Firma. 35 Mitarbeiter produzieren jeden Tag 100.000 Steinofenpizzen. Jeder Schritt vom Kneten, Backen bis zum Belegen ist voll automatisiert. Nur beim Verpacken der Pizzakartons hat sich Holger Pitsch gegen eine neue Maschine entschieden. Er hat stattdessen mit Einstiegsgeld sieben Frauen und Männer beschäftigt.
"Wir sehen das als Unternehmen insgesamt sehr positiv. Wenn sie diese Leute für ein oder zwei Jahre einen guten Job gemacht haben und das Unternehmen wächst und entwickelt sich weiter. Warum sollen sie nicht diesen Leuten einen guten Job anbieten, an dem sie Spaß und Interesse haben."
Von Magdeburg nach Halle an der Saale. Dort hat sich Sandra Trog vor einigen Monaten selbständig gemacht. Auktionshaus Allerhand steht in großer Schrift auf einem Neubau in einem Gewerbegebiet. Das Auktionshaus steht mitten auf der grünen Wiese an der Straße zwischen Halle und Eisleben. Es ist keine Adresse für große Versteigerungen mit dem Auktionshammer. Die Geschäftsführerin Sandra Trog hat sich für das Internet entschieden und ihr Hobby zum Beruf gemacht.
"Ich habe selber viel im Internet gekauft und verkauft. Dann haben Freundinnen mir gesagt, Mensch, mach das doch auch mal für uns. So ist die Idee über mehrere Jahre gereift. Dann habe ich mir das bei anderen angeschaut und so war die Idee da, das auch beruflich zu machen."
Auf den verschiedensten Internetplattformen versteigert sie alles, was sich irgendwie zu Geld machen lässt. Aufgekaufte Restposten, Möbel aus Wohnungsauflösungen, übrig gebliebenes Büromaterial.
"Wir machen Insolvenzversteigerungen für Firmen, für Büros, für Werkstätten. Auch privat verkaufen wir alles von A-Z, Antiquitäten, Schmuck, Kleidung, Autos. Alles von A-Z. Was sie nicht mehr benötigen, verkaufen wir."
Mit ihrer Idee von Versteigerungen im Internet hat die Jungunternehmerin eine Marktnische entdeckt. In den vergangenen Monaten haben sich die Aufträge verdoppelt. Die meisten Anfragen kommen aus dem Großraum Halle-Leipzig. Jeden Tag gibt es mehr zu tun. Alleine kann Sandra Trog das Arbeitspensum längst nicht mehr bewältigen. Jeder Gegenstand, der versteigert werden soll, muss begutachtet und gelistet werden. Eine ansprechende Präsentation im Internet ist die Basis des Geschäfts. Michael Gast kennt sich am Computer aus. Der gelernte Maler ist 23 Jahre alt. Er ist der erste Mitarbeiter im Auktionshaus Allerhand. Für Sandra Trog eine mutige Entscheidung. Das Einstiegsgeld hat ihr den Schritt zum ersten eigenen Angestellten erleichtert.
"Ich bekomme in dem Moment einen Mitarbeiter, den ich ohne Einstiegsgeld gar nicht hätte bezahlen können. Da sich aber alles so gut entwickelt hat, konnten wir den Herrn Gast jetzt ab März voll einstellen."
Michael Gast sitzt im ersten Stock vor dem Computer. Er redet kaum, aber das Internet ist seine Welt. Für ihn ist jede Versteigerung ein Abenteuer.
"Die Auktionen zu erstellen und ins Internet zu stellen, das ist das Spannende. Zum Beispiel hier ist ein uralter Fotoapparat, DDR-Ware, den hätte ich nie ins Internet gestellt, aber der ist für 200 Euro ausgelaufen. Das ist das Spannende daran."
Auch Sandra Trog hat mit ihrem neuen Mitarbeiter ins Schwarze getroffen. In den ersten Monaten war das Einstiegsgeld für sie eine Möglichkeit, Michael Gast bei der Arbeit zu beobachten. Ohne unternehmerisches Risiko. Seit zwei Monaten ist Michael Gast fest angestellt. Ohne Einstiegsgeld arbeitet er nun für das Auktionshaus Allerhand. Das Wirtschaftsministerium in Sachsen-Anhalt verbucht die Erfahrungen mit dem Einstiegsgeld als positiv aber mühsam. Staatssekretär Reiner Haseloff weiß, dass es ohne die Hilfe der Kommunalpolitiker nicht funktioniert. Dort, wo die Politiker vor Ort statt Ein-Euro-Jobs, das Kombilohn-Modell Einstiegsgeld unterstützen, in diesen Landkreisen gibt es die besten Ergebnisse.
"Wenn alle Landkreise gleichmäßig akquiriert hätten, dann hätten wir nicht 1500 Förderfälle, sondern sechs bis 7000 Förderfälle. Hochgerechnet für Deutschland wären das 200.000 Arbeitsplätze. Also 200.000 in eineinhalb Jahren, das ist durchaus möglich, aber eben nicht die prognostizierten zwei oder zweieinhalb Millionen, die uns bestimmte Wirtschaftsweise vorgerechnet haben."
"Muss ich ehrlich sagen im ersten Moment natürlich als Unternehmer, dass ich Geld spare. Wir haben aber die feste Absicht, diese Leute, wenn sie einigermaßen zu uns passen, zu behalten, wenn es nichts mehr vom Arbeitsamt dazu gibt. Wir wollen die dann übernehmen und es sind ja auch zusätzlich geschaffene Arbeitsplätze."
Ernst Rasch unterschreibt sieben neue Arbeitsverträge. Jede Unterschrift ist für ihn bares Geld, 500 Euro weniger Unkosten pro Monat. Der Arbeitnehmer bekommt trotzdem den branchenüblichen Bruttolohn von etwa 1200 Euro. Ernst Rasch steht hinter seinen Mitarbeitern.
"Wer das ganze Jahr für uns gearbeitet hat und den dann im Herbst, wenn die Arbeit ein bisschen weniger wird, nach Hause schicken, das ist ein unangenehmes Gefühl, das macht keiner gerne. Wir versuchen das wirklich, dass wir jeden behalten können, entweder mit Überstunden oder mit Winterdienst, dann bleiben die Leute bei uns vom Januar bis Dezember."
Er kümmert sich, kennt jeden beim Namen, weiß um die Familienverhältnisse. Dafür erwartet er, dass sie da sind, wenn er sie braucht. Zur Not auch nachts. Da muss dringend ein Container umgesetzt, ein voll gelaufener Keller ausgepumpt werden. Mit gutem Kundenservice ist die Firma im Gewerbegebiet am Stadtrand von Magdeburg groß geworden. Die neuen Arbeitskräfte erleichtern das schwierige Saisongeschäft. Weniger Überstunden für die einen, ein vollwertiger Arbeitsplatz für die anderen, auch im Winter.
"Die Arbeiten brechen abrupt ab. Die Baufirmen, das kommt auch auf die Witterungsverhältnisse an, bestellen bei uns keine Container mehr. Dann haben wir die Leute hier und wir können ja nicht zwanzig Mann den Hof fegen lassen. Das haben wir früher durch Mehrarbeit abgedeckt und jetzt kriegen wir das schon so hin, die Mehrarbeit fällt weg. Es werden nicht mehr so viele Überstunden gemacht und dadurch haben wir die neuen Arbeitsplätze geschaffen."
Einstiegsgeld kann für Langzeitarbeitslose neue Perspektiven schaffen. In Sachsen-Anhalt zeigt sich: Das klassische Kombilohn-Modell kann zwar keine Wunder vollbringen, aber doch die eine oder andere neue Arbeitsstelle schaffen. Reiner Haseloff, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium steht für die Logistik im Hintergrund.
"Wer denkt, dass über einen Kombilohn-Modell oder ähnliche Modelle, Jobs in einer Größenordnung von mehreren Millionen schnell zu schaffen sind, der irrt."
Trotzdem möchte er auf das Kombilohn-Modell "Einstiegsgeld" nicht verzichten. Ist es doch in acht Monaten gelungen, für 1500 Langzeitarbeitslose, bereits bestehende Arbeitsplätze zu erhalten oder neue zu schaffen. CDU-Mann Reiner Haseloff hat unter einer neuen schwarz-roten Landesregierung die besten Aussichten auf das Amt des Wirtschaftsministers. Er will bei der Bundesregierung dafür werben, dass die bisherige Laufzeit für das Einstiegsgeld entweder wegfällt oder wenigstens verlängert wird. Bei diesem Kombilohn-Modell profitieren beide, Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dieser zahlt für einfache Arbeiten einen Bruttostundenlohn von vier bis sechs Euro. Für den Arbeitnehmer lohnt es sich trotzdem, arbeiten zu gehen. Er bekommt sein Arbeitslosengeld II und einen Zuschuss.
"Es kann durchaus sein, dass in der Wirtschaft Löhne zustande kommen, die nicht ausreichen, um eine mehrköpfige Familie zu ernähren. Damit der Staat nicht den Effekt hat, dass es günstiger ist zuhause zu bleiben, gibt er diesen Zuschuss auf die Bedarfsgemeinschaft und sichert damit den Anreiz, dass man in diesem Arbeitsverhältnis bleibt."
Für ihn liegt der Vorteil auf der Hand: Durch Einstiegsgeld entstandene oder geförderte Arbeitsplätze sind sozialversicherungspflichtig.
"Im Unterschied zu allen anderen Modellversuchen ist der Kombilohn dadurch gekennzeichnet, dass die staatliche Leistung ausschließlich dem Arbeitnehmer zukommt. Im Bereich des Arbeitgebers ist kein Finanztransfer vorgesehen. Der vereinbart nach den ganz normalen Findungsgeboten des Marktes den Lohn, das Arbeitsentgeld."
Im Auftrag der Landesregierung erstellen Mitarbeiter vom Bildungswerk der Wirtschaft die Arbeitsverträge für das Einstiegsgeld. Sie beraten und knüpfen die Kontakte. So präsentieren sich bei der Firma Rasch Reinigung in Magdeburg genau die richtigen Hartz-IV-Empfänger. Kräftige Männer, die gerne hart arbeiten.
An den langen Seiten einer rechteckigen Halle lagern meterhohe Abfallberge. Bauschutt, Holz, Metall, Papier, ein Haufen liegt neben dem anderen. In scheinbar chaotischem Durcheinander fahren orangefarbene Containerwagen kreuz und quer durch die Halle.
"Die Fremdfirmen, die hier rein kommen in die Halle, die dürfen sofort auskippen. Dann wird eine grobe Vorsortierung von Hand und mit dem Radlader gemacht. Der Radlader zieht das breit und dann wird sortiert. Holz, Papier, alles kommt in einen extra Container. Bauschutt wird aufgeladen und zur Recycling Anlage gebracht."
Wenn der Schutt abgekippt, auf dem Boden verteilt ist, sind die Sortierer dran. Mit gebeugtem Rücken und geschultem Blick greifen sie nach Holz, Metall und Plastik, werfen alles in einen Extra Container.
Thomas Truhe ist 44, gelernter Dreher und Trockenbauer. Zehn Jahre lang ist er seiner Arbeit hinterher gefahren. Eine Leihfirma hat ihn von einem Kunden zum nächsten, von einer Baustelle zur anderen geschickt.
"Meinetwegen Kasseler Berge oder Würzburg. Wohnwagen hinten an den PKW drangehängt und los, ham se im Wohnwagen gelebt, sind dann alle zwei Wochen oder am Wochenende mal nach hause. Von der Leihfirma ab und zu mal ein Zimmer gestellt, aber sonst habe ich den Wohnwagen mitgenommen."
Eines Tages hatte die Leihfirma keine Aufträge mehr. Seitdem steht in der Kartei der Arbeitsagentur der Name Thomas Truhe in der Rubrik der Hartz-IV-Empfänger. Das ist die Voraussetzung für das Einstiegsgeld. Doch davon weiß Thomas Truhe nichts. Er schiebt die mit weißem Steinstaub bemehlte Schiebermütze zurück, senkt den Kopf.
"Weil ich sowieso die Faxen dicke hatte mit Rumfahren und so und auch gesundheitlich. Durch Hörensagen bin ich dann hier gelandet."
Vor drei Wochen war sein erster Arbeitstag. Thomas Truhe schüttelt den Kopf. Was er genau verdient weiß er nicht, nur, dass es mehr ist als Hartz IV.
"Die lassen sich ja immer gewaltig viel Zeit. Abgegeben ist alles, aber wann ich Bescheid kriege und ob und wie viel, keine Ahnung."
Der Chef steht neben ihm. Ernst Rasch wundert sich und erklärt.
"Wir haben Mitarbeiter, die schon länger bei uns beschäftigt sind. Aber Gottes Mühlen mahlen langsam, das Geld bekommt ihr. Und ich kenne nur die 720 brutto, die sie das erste Jahr von uns bekommen. Ich kann sagen, dass sie dann einen Änderungsvertrag von uns bekommen und dass das Geld dann bei zwölf bis dreizehn hundert liegen wird. Mit dem kann man leben."
Nach einem Jahr Einstiegsgeld will er mit dem Chef einen neuen Arbeitsvertrag aushandeln. Dann will die Firma Rasch selbst den vollen Lohn bezahlen. Thomas Truhe grinst zufrieden, geht zurück zu den anderen, Schutt sortieren. Unternehmer Ernst Rasch hätte sich auch die Arbeitskraft von Klaus Orschmann nicht leisten können. Ohne Einstiegsgeld würde der gelernte Fliesenleger arbeitslos zuhause sitzen.
"Ich finde das gut, weil ich von dem anderen Geld, das ich hier kriege nicht leben könnte. Nicht, sage ich, offen und ehrlich. Mehr kann ich dazu nicht sagen und wenn das Geld später nicht da ist, weiß ich nicht, was ich machen sollte. Müsste ich auf die Straße ziehen, weil ich die Miete nicht bezahlen könnte. Ich habe 570 netto ausgezahlt plus 160 Einstiegsgeld, rundgerechnet."
Auch er arbeitet gerne.
"Ja, die Arbeit macht Spaß, ist dreckig, aber was soll's. Sortierarbeiten, Papier, Pappe, Folien, Schrott und so, das wird alles getrennt und dann kommt ein Radlader und bringt es dahin, wo es hin soll. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
Von Ferne sieht es aus wie ein großer schwarz-gelb gestreifter Legowürfel. Das Firmengebäude in einem Gewerbegebiet nördlich von Magdeburg ist fast neu. Geschäftsmann Holger Pitsch kennt sich aus in der Nahrungsmittelindustrie. Nun hat er sich einen Lebenstraum erfüllt, die eigene Firma. 35 Mitarbeiter produzieren jeden Tag 100.000 Steinofenpizzen. Jeder Schritt vom Kneten, Backen bis zum Belegen ist voll automatisiert. Nur beim Verpacken der Pizzakartons hat sich Holger Pitsch gegen eine neue Maschine entschieden. Er hat stattdessen mit Einstiegsgeld sieben Frauen und Männer beschäftigt.
"Wir sehen das als Unternehmen insgesamt sehr positiv. Wenn sie diese Leute für ein oder zwei Jahre einen guten Job gemacht haben und das Unternehmen wächst und entwickelt sich weiter. Warum sollen sie nicht diesen Leuten einen guten Job anbieten, an dem sie Spaß und Interesse haben."
Von Magdeburg nach Halle an der Saale. Dort hat sich Sandra Trog vor einigen Monaten selbständig gemacht. Auktionshaus Allerhand steht in großer Schrift auf einem Neubau in einem Gewerbegebiet. Das Auktionshaus steht mitten auf der grünen Wiese an der Straße zwischen Halle und Eisleben. Es ist keine Adresse für große Versteigerungen mit dem Auktionshammer. Die Geschäftsführerin Sandra Trog hat sich für das Internet entschieden und ihr Hobby zum Beruf gemacht.
"Ich habe selber viel im Internet gekauft und verkauft. Dann haben Freundinnen mir gesagt, Mensch, mach das doch auch mal für uns. So ist die Idee über mehrere Jahre gereift. Dann habe ich mir das bei anderen angeschaut und so war die Idee da, das auch beruflich zu machen."
Auf den verschiedensten Internetplattformen versteigert sie alles, was sich irgendwie zu Geld machen lässt. Aufgekaufte Restposten, Möbel aus Wohnungsauflösungen, übrig gebliebenes Büromaterial.
"Wir machen Insolvenzversteigerungen für Firmen, für Büros, für Werkstätten. Auch privat verkaufen wir alles von A-Z, Antiquitäten, Schmuck, Kleidung, Autos. Alles von A-Z. Was sie nicht mehr benötigen, verkaufen wir."
Mit ihrer Idee von Versteigerungen im Internet hat die Jungunternehmerin eine Marktnische entdeckt. In den vergangenen Monaten haben sich die Aufträge verdoppelt. Die meisten Anfragen kommen aus dem Großraum Halle-Leipzig. Jeden Tag gibt es mehr zu tun. Alleine kann Sandra Trog das Arbeitspensum längst nicht mehr bewältigen. Jeder Gegenstand, der versteigert werden soll, muss begutachtet und gelistet werden. Eine ansprechende Präsentation im Internet ist die Basis des Geschäfts. Michael Gast kennt sich am Computer aus. Der gelernte Maler ist 23 Jahre alt. Er ist der erste Mitarbeiter im Auktionshaus Allerhand. Für Sandra Trog eine mutige Entscheidung. Das Einstiegsgeld hat ihr den Schritt zum ersten eigenen Angestellten erleichtert.
"Ich bekomme in dem Moment einen Mitarbeiter, den ich ohne Einstiegsgeld gar nicht hätte bezahlen können. Da sich aber alles so gut entwickelt hat, konnten wir den Herrn Gast jetzt ab März voll einstellen."
Michael Gast sitzt im ersten Stock vor dem Computer. Er redet kaum, aber das Internet ist seine Welt. Für ihn ist jede Versteigerung ein Abenteuer.
"Die Auktionen zu erstellen und ins Internet zu stellen, das ist das Spannende. Zum Beispiel hier ist ein uralter Fotoapparat, DDR-Ware, den hätte ich nie ins Internet gestellt, aber der ist für 200 Euro ausgelaufen. Das ist das Spannende daran."
Auch Sandra Trog hat mit ihrem neuen Mitarbeiter ins Schwarze getroffen. In den ersten Monaten war das Einstiegsgeld für sie eine Möglichkeit, Michael Gast bei der Arbeit zu beobachten. Ohne unternehmerisches Risiko. Seit zwei Monaten ist Michael Gast fest angestellt. Ohne Einstiegsgeld arbeitet er nun für das Auktionshaus Allerhand. Das Wirtschaftsministerium in Sachsen-Anhalt verbucht die Erfahrungen mit dem Einstiegsgeld als positiv aber mühsam. Staatssekretär Reiner Haseloff weiß, dass es ohne die Hilfe der Kommunalpolitiker nicht funktioniert. Dort, wo die Politiker vor Ort statt Ein-Euro-Jobs, das Kombilohn-Modell Einstiegsgeld unterstützen, in diesen Landkreisen gibt es die besten Ergebnisse.
"Wenn alle Landkreise gleichmäßig akquiriert hätten, dann hätten wir nicht 1500 Förderfälle, sondern sechs bis 7000 Förderfälle. Hochgerechnet für Deutschland wären das 200.000 Arbeitsplätze. Also 200.000 in eineinhalb Jahren, das ist durchaus möglich, aber eben nicht die prognostizierten zwei oder zweieinhalb Millionen, die uns bestimmte Wirtschaftsweise vorgerechnet haben."