"Die Texte der Zukunft ins Archiv holen"
Warum nicht die Homepage von Elfriede Jelinek oder Literatur von einem Algorithmus ins Museum holen? Die neue Leiterin Sandra Richter will das Marbacher Literaturarchiv für die digitale Welt öffnen. Sogar Computerspiele kann sie sich dort vorstellen.
Seit dem 1. Januar 2019 hat das Deutsche Literaturarchiv in Marbach eine neue Leiterin, die Germanistin Sandra Richter. Die 45-Jährige will vor allem mehr als ihr Vorgänger Ulrich Raulff mit Digitalisierung und Produkten der Digitalkultur arbeiten.
Dazu gehört für sie nicht nur die Digitalisierung bereits vorhandener gedruckter Archivmaterialien. Sondern sie wolle auch, die "Texte der Zukunft" ins Archiv holen. "Sie wollen dann eben vielleicht tatsächlich Elfriede Jelineks Homepage haben", sagt die neue Leiterin. "Oder Sie möchten die Netzliteratur haben, die überhaupt erst im Netz sich entwickelt und die quasi aus einem Algorithmus entsteht. Und was genau da ästhetisch relevant ist, ob der Algorithmus selbst oder der Text, das ist noch eine große und auch theoretisch überhaupt gar nicht beantwortete Frage."
Die Plots von Computerspielen
Sogar Computerspiele kann sich Sandra Richter im Marbacher Literaturarchiv vorstellen. Schließlich hätten diese "narrative Formen", betont sie. Und manche Computerspiele beruhten sogar auf Literatur, zum Beispiel auf einem Roman von Haruki Murakami.
"Das ist ein Bereich, der ist eigentlich noch sehr wenig ausgelotet. Die Game Industrie entwickelt sich zwar, aber auf welchen Plots sie beruht und was sie genau macht, ist bisher wenig durchleuchtet. Und auch da kann ein Archiv wie dieses möglicherweise helfen, solche Computerspiele historisch einzuordnen."
Letztlich geht es für Sandra Richter auch um die Frage, wie man künftige Generationen für die Literatur begeistern könne.
"Ich denke, es gibt eine ganze Menge Erwartungshaltungen, die vor allem mit der jüngeren Generation zu tun haben, die sich möglicherweise nicht mehr ohne weiteres für ein Manuskript interessiert, sondern die umgekehrt aus der medialen Welt kommt", sagt sie. "Ich bin immer noch an der Universität und habe da mit einer Generation zu tun, die sich natürlich damit leichter tut, wenn sie zunächst einmal auch einen digitalen Text hat, die man umgekehrt aber dafür faszinieren kann, doch dann auch ins Archiv zu gehen."
(uko)