Neue Leitung gesucht

Debatte um Jüdisches Museum geht weiter

04:59 Minuten
Das Jüdisches Museum in Berlin von außen, ein weißes Gebäude, davor Autos.
Das Jüdische Museum in Berlin. © imago images / Stefan Zeitz
Von Christiane Habermalz · 21.06.2019
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Das Jüdische Museum kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Rücktritt des Direktors Peter Schäfer, steht die Frage im Raum, wer nun die Leitung übernimmt. Der Stiftungsrat des Museums will erst mal Zeit gewinnen.
Das Gebot der Stunde hieß Schadensbegrenzung. Auf seiner Krisensitzung einigte sich der Stiftungsrat des Jüdischen Museums erst einmal darauf, Zeit zu gewinnen. Das Museum soll zunächst ein Jahr lang kommissarisch geleitet werden, bis eine Findungskommission einen Nachfolger für das angeschlagene Museum gefunden hat. Am liebsten eine Frau soll es sein, und auf jeden Fall eine Person jüdischen Glaubens. Und: Kulturstaatsministerin Monika Grütters stellte klar, dass das Museum als Kultureinrichtung unabhängig von jedem politischen Einfluss bleiben müsse.
Eine Ansage, die freilich erst kam, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Denn das Jüdische Museum droht, von der Politik zerrieben zu werden. Und die Kritik an Grütters wird lauter, sie habe sich nach Beschwerde der israelischen Regierung und des Zentralrates über angeblich zu israelkritische Ausstellungen und Programmbeiträge mit Gästen, die dem BDS (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen) nahestanden, nicht ausreichend hinter Direktor Peter Schäfer gestellt.

Ringen um die Deutungshoheit des Judentums

Das Museum müsse wieder jüdischer werden, forderten dagegen die Kritiker um Alan Posener und den Publizisten Michael Wolfsohn, und schon gar nicht gehe es, dass das Museum Antizionisten und Antisemiten ein Forum biete. Zurücktreten musste Schäfer schließlich wegen eines Tweets, in dem das Museum einen kritischen Diskussionsbeitrag zum BDS-Beschluss des Bundestages verlinkt hatte.
"Das ist meines Erachtens ein gravierender Versuch, Meinungsfreiheit zu blockieren und zu beschneiden, und darüber hinaus ist dieser Fall auch ein Fall, wo man sich fragen muss, wer hat die Deutungshoheit, wenn es um die Präsentation des Judentums geht. Ist Israel hier stellvertretend für das Judentum immer da, oder ist die Meinung der israelischen Regierung nur eine Meinung unter vielen", erklärte der israelische Historiker Moshe Zimmermann.
Der ehemalige Direktor des Jüdischen Museums: Peter Schäfer.
Peter Schäfer ist als Direktor des Jüdischen Museums Berlin zurückgetreten. Auslöser war ein Tweet des Museums mit einer Leseempfehlung der Bewegung BDS.© imago images / Uwe Steinert
Gemeinsam mit dem früheren israelischen Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, hatte Zimmermann gestern im "Tagesspiegel" unter dem Titel "Wer bestimmt, was jüdisch ist?" einen Artikel veröffentlicht, in dem beklagt wurde, die deutsche Politik und Gesellschaft lasse sich, geprägt durch die deutsche Schuld am Holocaust, von der israelischen Politik Denkverbote auferlegen, indem sie unreflektiert deren pauschale Gleichsetzung von jeder Kritik an Israels Politik mit Antisemitismus übernehme.
"Man hat ja hier nicht nur den Ministerpräsidenten Netanjahu, der direkt mit Merkel korrespondiert, es gibt ein Ministerium für strategische Angelegenheiten, es gibt das Außenministerium und sie alle bemühen sich heute viel aggressiver als früher darum, dass so eine Bewegung wie die BDS-Bewegung, die Boykottbewegung gegen Israel, nicht an die Öffentlichkeit kommt, nicht in Amerika, in England, aber auch nicht in Deutschland", so Zimmermann.

Streitauslöser ist ein Tweet

Auch 45 israelische Talmudgelehrte hatten Peter Schäfer den Rücken gestärkt. Es schockiere sie zutiefst, dass ein herausragender Judaist wie er unter Antisemitismusverdacht gestellt werde, sein lebenslanges Engagement für das Judentum stehe völlig außer Frage.
Die von Palästinensern gegründete Bewegung BDS teilt die Geister. Sie ruft aus Protest gegen die israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik zum Boykott israelischer Waren und stört weltweit Veranstaltungen, in denen israelische Künstler auftreten. Er wurde vor kurzem vom Deutschen Bundestag in einem Beschluss pauschal als antisemitisch verurteilt, Projekten und Veranstaltungen, die den BDS unterstützen, soll jegliche Förderung entzogen werden.
Das Museum hatte in seinem Tweet auf einen Artikel verwiesen, in dem sich 240 israelische Wissenschaftler, darunter renommierte Holocaust-Forscher, gegen den Bundestagsbeschluss positioniert hatten. Eine pauschale Stigmatisierung sei problematisch, heißt es in dem Text. Eine Unterstützung des BDS sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Es brauche einen neuen Diskurs

Auch die israelische Schriftstellerin Lissy Doron mahnte, es sei an der Zeit, dass Deutschland gegenüber Israel zu einem neuen Diskurs finde. Der Holocaust dürfe nie vergessen werden, aber der Blick allein auf die Vergangenheit reiche nicht mehr aus, um die Krise der Demokratie und der liberalen Werte, die vielfältigen Angriffe auf die Meinungsfreiheit in Israel und vielen anderen Ländern abzuwehren.
"Ich denke, wir haben nicht viel Zeit. Und in Deutschland denkt man immer noch zu langsam. Man will sicher sein, in Bezug auf Israel und das Judentum, keinen Fehler zu machen. Ich denke, das Jüdische Museum kann und muss dazu beitragen, diesen neuen Diskurs zu entwickeln und neue Grenzen abzustecken", so Doron.
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