Neue Lernansätze zum Judentum

Mehr als nur die Opferrolle

Mitglieder der LGBT mit einer Kippa in Regenbogenfarben
Mitglieder der LGBT mit einer Kippa in Regenbogenfarben © imago
Ulrich Bongertmann im Gespräch mit Dieter Kassel |
Schüler sollen jenseits der Schoah mehr als bislang über Rolle und Bedeutung des Judentums erfahren. Eine neue Website stellt dafür Unterrichtsmaterialien zur Verfügung, auch als Präventionsmaßnahme gegen Antisemitismus.
Immer wieder kommt es in Deutschland zu antisemitischen Beschimpfungen und gewälttätigen Übergriffen. Für den Zentralrat der Juden in Deutschland ist deshalb klar: Schon in der Schule muss viel mehr passieren, um Schüler über Judentum und Antisemitismus aufzuklären. Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, forderte daher vor kurzem in Berlin: "Unsere Lehrerinnen und Lehrer müssen zu 'Stoppt-Antisemitismus-Experten' werden." Und: "Judentum ist viel mehr als die Schoah. Und es ist etwas anderes als der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Die Geschichte und Kultur Deutschlands ist ohne das Judentum nicht denkbar."

Die dünne Decke der Zivilisation

Ab sofort können Lehrer auf der gemeinsamen Website von Kultusministerkonferenz und Zentralrat der Juden kommentierte Unterrichtsmaterialien von der Grundschule bis zum Gymnasium zum Thema Judentum herunterladen. Die Internetseite wird fortlaufend ergänzt und erweitert. Bildung alleine könne nicht garantieren, die dünne Decke der Zivilisation zu bewahren, aber sie sei grundlegende Voraussetzung, sagte der Präsident der Kultusministerkonferenz, Thüringens Kultusminister Helmut Holter (Linke).
Ulrich Bongertmann, Vorsitzender des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands spricht in ein Mikrofon
Ulrich Bongertmann, Vorsitzender des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands© dpa/picture alliance/Daniel Reinhardt
Frage an Ulrich Bongertmann, Bundesvorsitzender des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschland: Was bringt so eine Website?
Fest stehe: Es gebe "deutliche Defizite in der Vermittlung des Judentums" im deutschen Schulunterricht, sagte Bongertmann im Deutschlandfunk Kultur. Es sei schon viel gewonnen, wenn "ein Problembewusstsein" bei den Jugendlichen geschaffen werde. Insofern sei das Angebot der Website sehr zu begrüßen. Dennoch ist für Bongertmann klar: Die Schule werde nicht alle erreichen.

Judentum in Deutschland - mehr als die Schoah

Tatsächlich sei es so, dass im Schulunterricht das Thema Juden hauptsächlich im Zusammenhang mit der Schoa vermittelt werde. "Früher wurde zu wenig über den Holocaust im Unterricht vermittelt. Dann wurde er stark ins Programm aufgenommen, auch mit mehr Anteil als vielleicht andere Themen. Dadurch entsteht natürlich ein bisschen das Bild von Juden als Opfer in der Geschichte, die immer nur dann vorkommen, wenn es brenzlig wird. Genauso im Mittelalter – als Opfer der Pogrome."
Vor diesem Hintergrund sei es bedenkenswert, zu überlegen, wie man im Schulunterricht das Thema Judentum auch vermitteln könne: Wie Juden die deutsche Geschichte über die Jahrhunderte positiv geprägt haben. Dazu gehöre nicht nur die Politik, sondern beispielsweise auch die Literatur und natürlich auch die Religion.
(mkn)
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