Die Eröffnung der Originalräume aus Buchheims Wohnhaus findet am 3. Februar 2018 im Buchheim-Museum der Phantasie Bernried am Starnberger See statt. Am 6. Februar folgt dann die Geburtstagsgala mit prominenten Politikern und Unterstützern.
Zu Hause bei den Buchheims
Lothar-Günter Buchheim würde bald 100 Jahre alt: Die von ihm gegründete Stiftung präsentiert seit 2001 seine millionenschwere Sammlung im Buchheim-Museum der Phantasie am Starnberger See – und demnächst auch Originalräume des Wohnhauses des Künstlers und Sammlers.
Edmund Stoiber: "Lothar Günter Buchheim war ein Vesuv, das war ein Kraftwerk, das war Kreativität."
Walter Eberl: "In Wirklichkeit war er ein weicher Mensch."
Waldemar Rejmer: "Natürlich, er war ein sehr schwieriger Mensch, war auch sehr lieb, zu mir, zu meiner Familie, zu vielen anderen Leuten war er sehr lieb, aber viele Leute haben ihn auch nicht verstanden."
Genie, Wunderkind, Phantast, Poltergeist – die Schubladen für Lothar-Günter Buchheim konnten nie groß und nie klein genug sein. Ein Mensch, so schwer zu fassen wie ein U-Boot. Der uneheliche Sohn einer Malerin, der pingelig geizig war sich selbst gegenüber – und für Kunst das Geld mit vollen Händen ausgab. Er stößt ab und zieht an, gleichzeitig. Immer noch.
Waldemar Rejmer erinnert sich:
"Er hat immer, wie Sie sehen, aus altem Holz Regale gebaut. Das ist kein IKEA-Regal oder so. Das sind irgendwie Dachlatten und Bretter zusammengeschraubt. Das ist anderes Holz, hier auch anderes. Hauptsache funktioniert, kostet nichts. Oder fast nichts."
Waldemar Rejmer lächelt in sich hinein. Er steht vor einem schiefen Regal, die Bretter hängen pittoresk durch, einige sind ausgeblichen durch das Licht vom Fenster daneben. Vor einigen Monaten gehörte dieses Regal Marke Eigenbau noch zum Arbeitszimmer des Hauses, welches Lothar-Günter Buchheim über 60 Jahre lang mit seiner Frau Diethild, Ditti bewohnte.
Ein Bretter-Regal mit Geschichte
Das Regal erlebte, wie Kanzler Helmut Kohl am Campingtisch empfangen wurde und wie sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber brav auf einen der Holzstühle inmitten von Unmengen an Büchern und Zeitschriften klemmte. Unter anderem:
Edmund Stoiber: "Ja, wenn du auf die Toilette gegangen bist, dann hing da ein Picasso, das hast Du erstmal nicht glauben können. Die hingen an allen Stellen. Wo man es nicht vermutet, hingen natürlich Schmidt-Rottluff... Man hat da schon gestaunt und merkte natürlich: Der Mann lebt mit der Kunst und er lebt mit der Malerei."
Das Haus wurde im Herbst abgerissen, wegen massivem Schimmelbefall.
Jetzt steht das Regal im Buchheim-Museum der Phantasie, gleich neben einem alten, grauen Küchenschrank und einem hellem Regal, dass Buchheim anlässlich der Kanzlerschaft von Willi Brandt gelb strich. Das Original-Inventar wird nun Teil einer Ausstellung. Willkommen im neuen Haus Buchheim.
Waldemar Rejmer: "Das hat er damals für 20 Mark auf einer Auktion gekauft und alle Sachen, die er brauchte, hat er hier versteckt und aufgestellt."
24 Jahre lang war der 56-jährige Pole die rechte Hand von Lothar-Günter Buchheim. Jeden Morgen um acht Uhr ließ er sich überraschen, ob er freundlich, barsch oder wortlos empfangen würde. Herr Waldemar reparierte das Dach, schnitt Passepartouts zu, harkte Laub zusammen, entstaubte die Picassos und Schmidt-Rottluffs, chauffierte den Hausherren zur bayerischen Staatskanzlei oder zu Vorstellungen im Zirkus Krone.
Er fehle ihm, der Herr Buchheim, sagt er:
"Sehen Sie, dieses Geräusch vom Fußboden, dieses Knistern, das ist original von damals, vom Haus Buchheim. Und wenn ich in diesem Raum bin, dann kann ich reingehen und habe dieses Gefühl, da kommt die Stimme: Waldemar, komm her, jetzt machen wir was."
Malaktion mit dem Comiczeichner Maurice Rosy
Im Empfangszimmer kommen die Erinnerungen hoch. Wie Buchheim 1957 innerhalb von zwei Nächten zusammen mit dem belgischen Comiczeichner Maurice Rosy sein holzvertäfeltes Empfangszimmer bemalte. Bunte Figuren entstanden, die auf die tägliche Kommandozentrale herabschauten.
In einem anderen Zimmer verewigte sich der Zeichner Hans Fischerkoesen, der deutsche Walt Disney vor billigen Plastikstühlen. Museumsdirektor Daniel Schreiber:
"Das drückte eigentlich auch so sein Leben aus. Er war für sich selber extrem bescheiden, aber wenn es um den Auftrag, den künstlerischen Auftrag ging, war er opulent, aber die Gebrauchsmöbel waren von einer derartigen Billigkeit, wie man sie auch in einem sozialen Wohnungsbau der 50er-Jahre hätte finden können."
Buchheim sammelte und sammelte: Wertvolle Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, aber auch gläserne Briefbeschwerer, afrikanische Kunst, Blechfiguren. Und er malte selbst, fotografierte, schrieb Bücher. Selbstkritisch bemerkte er:
"Für den Kunstsammler kommt einmal der Augenblick – er kommt schier unausweichlich – da er vom Besitz besessen wird. Die Beglückung wandelt sich in Beklemmung."
Daniel Schreiber: "Das ist zum Beispiel die Sammlung seiner Fotos. Wir haben über 80.000 Aufnahmen von ihm, 40.000 Dias und 40.000 schwarz-weiße, auch aus der Zeit vor dem Krieg."
Wilde Strudel um Buchheims Person
Ein einsamer Paddler auf der Donau mit 20 Jahren, ein sentimentaler Atomschiffpassagier mit fast 60. Der Sammler Lothar-Günter Buchheim irritiert und fasziniert auch zu seinem 100. Geburtstag. Die Strudel um seine Person sind nicht kleiner geworden. Eher im Gegenteil.
Er habe seine millionenschwere Expressionisten-Sammlung zum Teil in Ostdeutschland armen DDR-Bürgern mit harten Devisen abgekauft, schreibt sein Sohn Yves in einem soeben erschienenen Buch. Außerdem seien die Ereignisse im Roman "Das Boot" übertrieben dargestellt. Weiter bezichtigt er den berühmten Vater der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe, schwarzer Konten und Panama-Connections.
Die Stiftung Buchheim wehrt sich schriftlich: Die Herkunft der Bilder werde bereits geprüft. Der Roman sei Literatur und keine Dokumentation. Und:
"Tatsache ist..., dass ... Frau Diethild Buchheim, nach dessen Tod das in der Schweiz deponierte Vermögen (Wert am Todestag Euro 22.778.157) nach Deutschland zurückgeholt und durch eine wirksame Selbstanzeige die Nachversteuerung veranlasst hat."
Klaus Doldinger erinnert sich
2007 spielte Klaus Doldinger am Grab von Buchheim in Bernried La Paloma, dessen Lieblingslied. Der Komponist der berühmten Filmmusik zu "Das Boot" lernte den Romanautor während der Dreharbeiten Anfang der 80er Jahre kennen. Auch er saß unter dem Selfmade-Regal bei Buchheims daheim. Foldinger erinnert sich:
"Ich muss sagen, ich habe ihn dann doch schätzen gelernt, und dachte, interessant dieser Mann, wie der sich im Laufe seines Lebens entwickelt hat, dass er das Dritte Reich und so auch noch literarisch umsetzen konnte, das war schon ein sehr bemerkenswerter Vorgang. Und dass dann seine Neigung zu moderner Kunst dabei eine große Rolle spielte bei der Entwicklung seiner Persönlichkeit."
Dass Buchheims Wohnhaus jetzt umziehen kann in ein Buchheim-Museum, erscheint heute selbstverständlich. Für zwei Männer ist es jedoch ein persönlicher Erfolg. Über 20 Jahre wurde um den Bau gestritten, gedroht, geplant, verworfen. Ein Bürgerentscheid im Wohnort Feldfing lehnte einen Museumsneubau ab. Andere Städte außerhalb Bayerns wollten sofort zugreifen.
Unterstützung aus der Politik
Bürgermeister Walter Eberl aus der Nachbargemeinde Bernried warf sich ins Getümmel und pokerte erfolgreich um das heutige Seegrundstück. Und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber kümmerte sich persönlich um die Finanzierung:
"So etwas, was sich in Bayern entwickelt hat, darf nicht bei Sotheby's landen und dann in irgendwelchen privaten Gemächern aufgehängt werden."
Nur 12 Kilometer sind es bis Feldafing in die Johann-Biersack-Str. 23.
Der Zaun hängt schief an den Pfosten, tiefe Reifenspuren führen zu einem Bauloch. Buchheims wichtigster Rückzugsort – weggeschoben, eingerissen, auf dem Müll gelandet. Geschichte.
Baulücke an der Stelle des Rückzugsortes
Die Stiftung habe versagt, wettert Sohn Yves. Das Haus war nicht mehr zu retten, beteuert Stiftungsmitglied und Museumsdirektor Schreiber.
Herr Waldemar ist nicht mitgefahren zu der großen Baulücke zwischen den mächtigen Bäumen, auf der künftig zwei Mehrfamilienhäuser stehen werden. Da sei nur noch Erde, sagt er.
Das Arbeitszimmer, in dem Buchheim die Fortsetzung von "Das Boot" schrieb - "Die Festung" - steht jetzt im Original im Museum. Ebenso sein Empfangszimmer und das Foyer.
Die Stiftung hat den schweren Anker gekappt. Ballast abgeworfen, um nicht unterzugehen. Ob der alte Buchheim wieder getobt hätte? Herr Waldemar ist zuversichtlich:
"Ich denke, das war eine gute Entscheidung und wir sehen bei der Eröffnung, wie das alles aussieht."