Das muss man gehört haben oder auch nicht
Hochdramatische Songs bietet The Weeknd auf seinem neuen Album: Er widmet sich dem Auf und ab des Lebens. Auch andere Musiker nehmen sich, ihre Musik und die Welt ernst – und liefern dazu einen meist hörenswerten Sound, so unsere Plattenkritik.
Die Platten, die man sich meiner Ansicht nach diese Woche nicht entgehen lassen sollte, kommen aus ganz verschiedenen musikalischen Ecken. Sie haben aber eins gemeinsam: Ihre Macher nehmen sich, ihre Musik und die Welt ernst. Keine Ironie, kein gefälliges Heranwanzen an die Masse, kein Wischiwaschi. Sie beweisen also Haltung! Und Haltungskünstler Nummer Eins, das ist "The Weeknd":
The Weeknd: "Beauty Behind the Madness"
The Weeknd, hinter diesem Künstlernamen verbirgt sich der kanadische Musiker Abel Tesfaye. Hochdramatisch und düster seine Songs auf "Beauty Behind the Madness", schamlos beutet er darin jede Menge Bett- und Beziehungsgeschichten aus und erspart uns dabei die Lauwarmigkeiten des Lebens. Wenn er am Boden liegt – und das tut er oft – dann aber so richtig. Manchmal verachtet er sich selbst, manchmal nimmt er Drogen, manchmal tut er sich leid – aber egal ist er sich nie. Diese Haltung hat er auf seinen vorherigen Platten auch schon demonstriert, hier klingt alles noch ein bisschen zugespitzter. Auch sound- und melodiemäßig hat "The Weeknd" noch mal eine Schippe draufgepackt, es geht ebenfalls hochdramatisch zu, selbst wenn sich die Beats wie durch ein klebriges Honigbad schleppen.
Foals: "What Went Down"
Von Honig keine Spur bei den Foals aus Oxford – (von) Haltung dagegen jede Menge!
Dass sie clever sind und Songs mit dem Bauch und dem Kopf schreiben, hat die Indie-Rockband über drei Alben lang zur Genüge bewiesen. Jetzt, auf Album Nummer Vier, lassen die "Foals" die Welt wissen, dass sie auch massiv rocken können! "What Went Down" heißt die neue Platte, und sie überrascht mit vielen harten Gitarrenriffs und (einer)einem Wall of Sound, unter (der) dem man nicht begraben sein möchte! Mutig, hat doch Gitarrenmusik im Augenblick so wenig zu melden wie ein Seepferdchen im Haifischbecken. Aber, und das wissen die "Foals" besser als jedes Seepferdchen: wenn schon, dann richtig!
Destroyer: "Poison Season"
Dunkle wilde Locken, voller Bart, das Hemd schön weit aufgeknöpft – schon ein einziger Blick auf Daniel Bejar (gespr: Be-har) verrät: der Mann ist ein echter Typ. Das einzige Problem: Zehn Alben lang sah kaum jemand richtig hin – Bejar und seine Band "Destroyer" blieben der ewige Geheimtipp – bis zum 2011 erschienenen Softrock-Album "Kaputt". Jetzt sind Destroyer mit neuer Platte da – "Poison Season". Selten klangen düstere, depressive Texte schöner als auf diesem halb rockigen, halb poppigen Album. Streicher! Großstadt-Nostalgie! Springsteen-artige Posen! Und alles fein miteinander verwoben – das ist echte Kunst.
Culcha Candela: "Candelistan"
Und damit wären wir auch schon bei der Platte, die in dieser Woche getrost ignoriert werden kann: "Candelistan" von der Berliner Band "Culcha Candela".
Eigentlich ist die Idee dieser auf vier Mitglieder geschrumpften Band nach wie vor ok: eine Multikulti-Truppe, die Partystimmung verbreiten will, aber auch sozialkritische Themen aufgreift. Mir kommen "Culcha Candela" aber mittlerweile wie eine Karnevalstruppe vor, deren gute Laune nur aufgesetzt ist – oder, noch schlimmer, irgendwie debil rüberkommt. "Scheiße, aber happy" heißt einer der neuen Songs. Dem wäre dann nichts mehr hinzuzufügen.