Tiefdruckgebiet Ahmet, Hoch Chana
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Tief Torsten, Hoch Hermine: Das war einmal. Jetzt heißt es "Tief Ahmet" oder "Hochdruckgebiet Chana". Das liegt am Verein "Neue deutsche Medienmacher*innen", der mit der Wetterbenennung Menschen mit Migrationshintergrund sichtbarer machen will.
Tief Siegfried oder Hermine, Hoch Edda oder Klaus! Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass Wetterphänomene in den Nachrichten nicht mehr namenlos daherkommen. Die Meteorologen der Freien Universität Berlin vergeben die Wetterpatenschaften: Wer eine solche kauft, kann den Namen eines Hochs- oder Tiefs bestimmen – wobei in diesem Jahr die Tiefdruckgebiete mit Männer- und die Hochs mit Frauennamen belegt werden.
Ein symbolischer Schritt
Genau das hat jetzt der Verein "Neue deutsche Medienmacher*innen" (ndm) getan, der sich unter anderem dafür einsetzt, dass mehr Menschen mit Migrationshintergrund in Redaktionen arbeiten und so die Diversität steigern. Nun heißen 14 Hoch- und Tiefdruckgebiete Ahmet, Chana, Khuê oder Romani. Das sei natürlich ein symbolischer Schritt, sagt die Vereinsvorsitzende Ferda Ataman.
Der Journalist Alan Posener findet die Kampagne gut und verweist darauf, wie er seinen Nachnamen laut Deutscher Buchstabiertafel buchstabieren muss. Paul – Otto – Siegfried – Emil – Nordpol – Emil – Richard – dass dort Nordpol stehe, liege an den Nazis: Früher habe es Nathan statt Nordpol geheißen. "Die Nazis haben Nathan rausgeworfen", berichtet er. Posener plädiert dafür, wieder Nathan zu sagen. "Und dann würde ich auch ganz gern statt Siegfried – wie heute niemand heißt – Suleika sagen, und statt Otto vielleicht tatsächlich Orhan."
Die Politologin Emilia Roig, Aktivistin und Gründerin des Berliner Centers for Intersectional Justice, begrüßt ebenfalls den Coup des Vereins. "Die Namen werden Vielfalt einfach sichtbar machen und für Akzeptanz sorgen", meint sie. Namen wie Ahmet und Chana existierten schließlich und es sei ein Schritt nach vorne, wenn sie auch beim Wetter auftauchten, meint Roig.
"Alle schauen den Wetterbericht"
"Alle schauen den Wetterbericht", sagt Roig. Wenn dann ein Wetterphänomen Khuê oder Romani heißt, könne das schon "bei manchen Menschen Unbehagen und Widerstand verursachen". Doch es sei "sehr wichtig, Unbehagen aushalten zu können. Veränderung passiert nur mit Unbehagen", sagt Roig.
"Wenn wir eine positive gesellschaftliche Veränderung wollen, wo Vielfalt ein Teil der Gesellschaft wird, nicht nur toleriert, sondern wirklich ein wichtiger Bestandteil der deutschen Gesellschaft wird, dann ist es sehr wichtig, sich mit diesem Unbehagen zu beschäftigen."
Es gehe darum, zu ergründen, warum sich jemand so fühle, meint Roig: "Habe ich das Gefühl, dass ich ersetzt werde? Dass meine Gruppen weniger wichtig wird? Wenn diese Fragen ehrlich gefragt werden, dann können wir vorankommen."
Roig plädiert wie der Verein dafür, eine Quote für Redaktionen einzuführen. Hinzukommen müsse aber, dass sich auch die Gesamtgesellschaft ändere: Neben Quoten müsse auch an der Stereotypisierung in den Medien, den Zugängen zum Journalismus und der Diskriminierung im Bildungssystem gearbeitet werden.
(mfu)