Neue Nazis
Vor fast 40 Jahren gegründet, schien die rechtsextreme NPD lange Zeit niemand zu bemerken. Seit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren feiert sie jedoch wieder Wahlerfolge, insbesondere im Osten Deutschlands. Harald Bergsdorf analysiert in seinem Buch "Die neue NPD", welche Veränderungen die Erfolge der antidemokratischen Partei befördert haben.
Bei der letzten Bundestagswahl 2005 verfehlte die NPD mit für sie mageren 1,6 Prozent deutlich den Einzug in den Bundestag, erhielt aber von immerhin knapp 750.000 Wählern Zustimmung für ihre schlichten, ebenso nationalistischen wie sozialistischen und vor allem ausländerfeindlichen Vorstellungen. Bei Landtagswahlen war die Partei jedoch erfolgreicher: Sie zog in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern in die Parlamente ein und schafft es seither in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen, die Öffentlichkeit mit gezielten Provokationen aufzuschrecken. Der Bonner Politikwissenschaftler Harald Bergsdorf beschreibt in seinem übersichtlich gegliederten und gut zu lesenden Buch die Gründe für den Wiederaufstieg der NPD, einer Partei, die am Vorabend der deutschen Wiedervereinigung nur noch eine marginale Rolle im politischen Konzert der Bundesrepublik spielte, und es vor einigen Jahren sogar zu einem - letztlich gescheiterten - Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gebracht hat.
Ihren bescheidenen Erfolg verdankt die 1964 gegründete Partei vor allem ihrer programmatischen Neuausrichtung seit Mitte der 90er Jahre. Die Zahl ihrer Mitglieder war von knapp 30.000 im Jahre 1969 auf gut 3000 im Jahre 1996 gefallen. Der in diesem Jahr gewählte neue Parteivorsitzende Udo Voigt relativierte zumindest vordergründig die den Nationalsozialismus legitimierenden und verherrlichenden Thesen älterer Parteimitglieder, straffte die Organisation und stärkte die sozialistischen Elemente in der Parteiprogrammatik. Den Kampf um die Köpfe verband Voigt mit der Auseinandersetzung auf der Straße und hatte dabei keine Scheu, auch mit neonazistischen Gruppen und rechtsextremistischen Kameradschaften zusammenzuarbeiten. Hierdurch sollten getreu dem nationalsozialistischen Vorbild Bewegungscharakter und Dynamik inszeniert werden.
Wie Bergsdorf überzeugend darlegt, brachten diese Veränderungen zumindest im Osten einige Erfolge.
"Seit Voigt die NPD führt, konzentriert die Partei ihre Aktivitäten auf die Ex-DDR. Dort findet sie stärker als im Westen geistig-moralische Milieus, die Rechtsextremismus samt Fremdenfeindlichkeit und Gewalt begünstigen oder gar fördern. Gerade dort existieren heute Orte, wo sich ost- und westdeutsche Rechtsextremisten fast wie 'Fische im Wasser’ tummeln; in denen schlecht integrierte Deutsche, vor allem NPD und Co., auf einer Welle der offenen, halboffenen und verdeckten Zustimmung schwimmen - wenigstens bei starken Minderheiten, die in Parallelgesellschaften leben. Während die NPD im Westen als geächteter Außenseiter agiert, sind in Teilen des Ostens eher ihre Gegner isoliert."
Mit ihrer Strategie, soziale Themen aufzugreifen und die Etablierten im Westen verbal anzugreifen, knüpft die Partei geschickt an die geistig-moralischen Nachwirkungen der SED-Diktatur an. Die DDR wird für ihre vermeintlichen sozialen Errungenschaften und ihre Ausländerpolitik gelobt und gegenüber der Bundesrepublik zum "besseren Deutschland" erklärt.
Bei vielen Themen unterscheiden sich die nationalen Sozialisten der NPD kaum noch von linken Extremisten: Sie wettern gegen die USA und die Globalisierung, verurteilen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern und lehnen die kapitalistische Wirtschaftsordnung ab. Jedoch vor allem in einem Punkt unterscheiden sie sich von den linken Feinden einer freiheitlich-demokratischen Ordnung - sie sind in geradezu perfider Weise rassistisch eingestellt. In einer Broschüre der NPD heißt es:
"Ein Negrider, Mongolider, Australider oder Indianider wird nie Deutscher werden können, weil die Verteilung bunt bedruckten Papiers, in Form eines BRD-Passes, ja nicht die biologischen Anlagen verändert. Angehörige anderer Rassen bleiben deshalb körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, gleich wie lange sie in Deutschland leben. Auf die Frage, ob er einen dunkelhäutigen Deutschen als Deutschen anerkenne, antwortet Voigt: 'Für mich ist er es nicht.’ Ähnlich wie die NSDAP weigert sich die NPD, dunkelhäutige Deutsche als Deutsche anzuerkennen."
Der Autor beschreibt und analysiert nicht nur in einer nüchternen, unaufgeregten Weise Geschichte, Strategie, Ideologie, Organisation und Wähler der Partei, sondern plädiert darüber hinaus mit einem Zwölf-Punkte-Programm für eine offensive Auseinandersetzung mit der NPD. Damit reagiert er auf die mitunter kläglichen Versuche von Journalisten und Vertretern der anderen Parteien, sich mit geschulten Provokateuren der NPD angemessen, das heißt entlarvend, inhaltlich auseinanderzusetzen.
Bergsdorf schlägt vor, bestimmte Themen nicht allein dieser Partei zu überlassen, sondern sie ebenfalls aufzugreifen und in einem demokratischen Sinn zu beantworten. Eine Tabuisierung nützte nur den Rechtsextremisten. Gleichzeitig dürfen Aktivitäten der NPD nicht verschwiegen werden - wie in kleineren Orten oft üblich; sie müssen stattdessen offensiv bekämpft werden. Kooperationen mit der NPD sollten ausgeschlossen sein, sie darf nicht salonfähig werden. Trotzdem ist die inhaltliche Auseinandersetzung nötig. Die demokratischen Parteien müssen die Grenze zum Rechtsextremismus deutlich markieren und Mitglieder ausschließen, die sich hieran nicht halten. Gleichzeitig darf es aber auch keine Kooperationen mit linksextremistischen Parteien geben, auch nicht beim Kampf gegen den Rechtsextremismus.
"Wer bei bestimmten Extremisten ein Auge zudrückt, leistet keinen Beitrag, die eigene Glaubwürdigkeit zu fördern. Es gilt, jeglichen Extremismus mit beiden Augen zu beobachten, um ihn stärker zu bekämpfen - mit gelassener Entschlossenheit. Es kommt darauf an, größtmögliche Distanz zu jeglichen Extremisten zu wahren."
Bergsdorf hält einen erneuten Verbotsantrag für nicht opportun, da hierdurch die komplexen Ursachen rechtsextremer Agitation und Gewalt nicht verschwinden. Der beste Impfstoff gegen Rechtsextremismus sei die Stärkung der Zivilgesellschaft und ihrer Akteure. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Harald Bergsdorf: Die neue NPD - Antidemokraten im Aufwind
Olzog Verlag, München 2007
Ihren bescheidenen Erfolg verdankt die 1964 gegründete Partei vor allem ihrer programmatischen Neuausrichtung seit Mitte der 90er Jahre. Die Zahl ihrer Mitglieder war von knapp 30.000 im Jahre 1969 auf gut 3000 im Jahre 1996 gefallen. Der in diesem Jahr gewählte neue Parteivorsitzende Udo Voigt relativierte zumindest vordergründig die den Nationalsozialismus legitimierenden und verherrlichenden Thesen älterer Parteimitglieder, straffte die Organisation und stärkte die sozialistischen Elemente in der Parteiprogrammatik. Den Kampf um die Köpfe verband Voigt mit der Auseinandersetzung auf der Straße und hatte dabei keine Scheu, auch mit neonazistischen Gruppen und rechtsextremistischen Kameradschaften zusammenzuarbeiten. Hierdurch sollten getreu dem nationalsozialistischen Vorbild Bewegungscharakter und Dynamik inszeniert werden.
Wie Bergsdorf überzeugend darlegt, brachten diese Veränderungen zumindest im Osten einige Erfolge.
"Seit Voigt die NPD führt, konzentriert die Partei ihre Aktivitäten auf die Ex-DDR. Dort findet sie stärker als im Westen geistig-moralische Milieus, die Rechtsextremismus samt Fremdenfeindlichkeit und Gewalt begünstigen oder gar fördern. Gerade dort existieren heute Orte, wo sich ost- und westdeutsche Rechtsextremisten fast wie 'Fische im Wasser’ tummeln; in denen schlecht integrierte Deutsche, vor allem NPD und Co., auf einer Welle der offenen, halboffenen und verdeckten Zustimmung schwimmen - wenigstens bei starken Minderheiten, die in Parallelgesellschaften leben. Während die NPD im Westen als geächteter Außenseiter agiert, sind in Teilen des Ostens eher ihre Gegner isoliert."
Mit ihrer Strategie, soziale Themen aufzugreifen und die Etablierten im Westen verbal anzugreifen, knüpft die Partei geschickt an die geistig-moralischen Nachwirkungen der SED-Diktatur an. Die DDR wird für ihre vermeintlichen sozialen Errungenschaften und ihre Ausländerpolitik gelobt und gegenüber der Bundesrepublik zum "besseren Deutschland" erklärt.
Bei vielen Themen unterscheiden sich die nationalen Sozialisten der NPD kaum noch von linken Extremisten: Sie wettern gegen die USA und die Globalisierung, verurteilen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern und lehnen die kapitalistische Wirtschaftsordnung ab. Jedoch vor allem in einem Punkt unterscheiden sie sich von den linken Feinden einer freiheitlich-demokratischen Ordnung - sie sind in geradezu perfider Weise rassistisch eingestellt. In einer Broschüre der NPD heißt es:
"Ein Negrider, Mongolider, Australider oder Indianider wird nie Deutscher werden können, weil die Verteilung bunt bedruckten Papiers, in Form eines BRD-Passes, ja nicht die biologischen Anlagen verändert. Angehörige anderer Rassen bleiben deshalb körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, gleich wie lange sie in Deutschland leben. Auf die Frage, ob er einen dunkelhäutigen Deutschen als Deutschen anerkenne, antwortet Voigt: 'Für mich ist er es nicht.’ Ähnlich wie die NSDAP weigert sich die NPD, dunkelhäutige Deutsche als Deutsche anzuerkennen."
Der Autor beschreibt und analysiert nicht nur in einer nüchternen, unaufgeregten Weise Geschichte, Strategie, Ideologie, Organisation und Wähler der Partei, sondern plädiert darüber hinaus mit einem Zwölf-Punkte-Programm für eine offensive Auseinandersetzung mit der NPD. Damit reagiert er auf die mitunter kläglichen Versuche von Journalisten und Vertretern der anderen Parteien, sich mit geschulten Provokateuren der NPD angemessen, das heißt entlarvend, inhaltlich auseinanderzusetzen.
Bergsdorf schlägt vor, bestimmte Themen nicht allein dieser Partei zu überlassen, sondern sie ebenfalls aufzugreifen und in einem demokratischen Sinn zu beantworten. Eine Tabuisierung nützte nur den Rechtsextremisten. Gleichzeitig dürfen Aktivitäten der NPD nicht verschwiegen werden - wie in kleineren Orten oft üblich; sie müssen stattdessen offensiv bekämpft werden. Kooperationen mit der NPD sollten ausgeschlossen sein, sie darf nicht salonfähig werden. Trotzdem ist die inhaltliche Auseinandersetzung nötig. Die demokratischen Parteien müssen die Grenze zum Rechtsextremismus deutlich markieren und Mitglieder ausschließen, die sich hieran nicht halten. Gleichzeitig darf es aber auch keine Kooperationen mit linksextremistischen Parteien geben, auch nicht beim Kampf gegen den Rechtsextremismus.
"Wer bei bestimmten Extremisten ein Auge zudrückt, leistet keinen Beitrag, die eigene Glaubwürdigkeit zu fördern. Es gilt, jeglichen Extremismus mit beiden Augen zu beobachten, um ihn stärker zu bekämpfen - mit gelassener Entschlossenheit. Es kommt darauf an, größtmögliche Distanz zu jeglichen Extremisten zu wahren."
Bergsdorf hält einen erneuten Verbotsantrag für nicht opportun, da hierdurch die komplexen Ursachen rechtsextremer Agitation und Gewalt nicht verschwinden. Der beste Impfstoff gegen Rechtsextremismus sei die Stärkung der Zivilgesellschaft und ihrer Akteure. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Harald Bergsdorf: Die neue NPD - Antidemokraten im Aufwind
Olzog Verlag, München 2007

Harald Bergsdorf: Die neue NPD© Olzog Verlag