Wie sich öffentlich-rechtliche Angebote verändern
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Für ARD, ZDF und Deutschlandradio gelten im Netz neue Regeln. Dass diese auf Drittplattformen nun größere Freiheiten haben, bezeichnet Medienjournalist Daniel Bouhs als eine Art Zeitenwende – die aber nicht ohne Risiko sei.
Die zum 1. Mai in Kraft getretenen Änderungen des Rundfunkstaatsvertrages wurden als großer Kompromiss mit den Verlegern "gefeiert". Das Ergebnis lässt sich trotz der großen Debatten im Vorfeld recht kurz zusammenfassen: Es gibt weniger Texte auf den Webseiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter.
Audios und Videos verlinkt mit größeren Bildern
Weil sich deren Angebote von den Portalen der Zeitungen und Zeitschriften unterscheiden müssten, habe man sich darauf geeinigt, erklärt der Medienjournalist Daniel Bouhs. Vor allem viele Seiten der ARD – allen voran die des WDR – sähen inzwischen schon anders aus. So sind zum Beispiel auf den Startseiten größere Bilder zu sehen, hinter denen Audios und Videos liegen, die man auch zunehmend von dort aus starten könne, erläutert Daniel Bouhs den eingeschlagenen Weg.
Zwar können ARD, ZDF und Deutschlandradio ihre Beiträge weiterhin in Textform anbieten - auch aus Gründen der Barrierefreiheit. Aber ehrlicherweise müsse man sagen, dass Texte auf den öffentlich-rechtlichen Portalen immer weniger eine Rolle spielten, erläutert der Medienjournalist: Die Sender brauchen ihre Leute, um zum Beispiel Video-Inhalte für soziale Netzwerke zu produzieren. Dort bekommen sie mit den neuen Spielregeln fürs Netz auch größere Freiheiten, die Daniel Bouhs als eine Art Zeitenwende bezeichnet.
Exklusive Inhalte in den sozialen Netzwerken
Seit diesem Monat dürften alle öffentlich-rechtlichen Sender Facebook, Youtube oder Instagram auch mit exklusiven Inhalten bespielen, die nur für diese sogenannten Drittplattformen entwickelt werden. Das war zuvor allein "Funk" erlaubt, dem jungen Angebot von ARD und ZDF, erläutert Daniel Bouhs: "Weil sie dafür aber nicht mehr Personal bekommen, müssen sie es woanders einsparen – und das machen sie im Zweifel bei den Texten."
Das sei in einigen Häusern klar zu erkennen, sagt der Medienjournalist. Noch stärker auf die großen, US-amerikanischen Tech-Plattformen zu gehen, sehe er allerdings ambivalent, sagt Bouhs. Die Öffentlich-Rechtlichen machten diese mit ihren Inhalten am Ende immer größer und größer, ohne dass Facebook und Co. dafür bezahlen müssten.
Bei der Fokussierung auf soziale Netzwerke sieht Daniel Bouhs zusätzlich das Risiko, dass Redaktionen sagen: Wenn wir dort Erfolg haben sollen, nehmen wir nur Inhalte und Formen, die dort gut laufen – und ignorieren dafür andere. Schlimmstenfalls ließen sich dann Journalisten von den Plattformen diktieren, was sie auf ihre Agenda setzen, um Erfolg zu haben. Außerdem würden bei den auf Facebook und Instagram verwendeten Zitatkacheln, also Fotos mit ganz knappen Schlagzeilen, Inhalte sehr stark reduziert.
Gefahr einer journalistischen Abwärtsspirale
In diesem Häppchen-Journalismus der sozialen Netzwerke liege die große Gefahr einer Abwärtsspirale, befürchtet Daniel Bouhs. Denn auch wenn man auf Videoplattformen wie Youtube opulente Dokus anbieten könne, bliebe die Frage, was mit dem passieren soll, was dazwischen liegt.
In Recherchen, Diskussionen über politische Entwicklungen im Netz oder Debattenbeiträgen auf Nachrichtenportalen werde vor allem auf Texte verwiesen, gibt der Medienjournalist zu bedenken. Auch wenn Nachrichtenagenturen zitieren, was Politiker etwa in Radiointerviews gesagt haben, dann laufe das meist über die Transkripte, die jemand in den Redaktionen produziert hat. Wenn das alles wegfallen würde, fänden öffentlich-rechtliche Inhalte im politischen Diskurs kaum noch statt, fürchtet Daniel Bouhs.